Neue Aufnahmen von und mit: Oxana Omelchuk, Susanne Fröhlich und Bernhard Lang.
Bernhard Langs „ParZeFool“ (2016) ist genau genommen die 33. Folge seiner „Monadologien“-Serie, die bereits bestehende Musik als Re- beziehungsweise Meta-Kompositionen in raumgreifenden Loopingprozessen neu verhandelt. Nr. 33 beackert nichts weniger als den „Parsifal“, hier im Live-Mitschnitt von der Wiener Festwochen-Premiere zu hören, die Wagner-Fan Jonathan Meese inszeniert hatte. Lang zerhackstückt die weihevolle Vorlage in kaleidoskopartige Wiederholungsschleifen und jongliert sprunghaft mit deren markanten Musik- und Textbausteinen. Manchmal fängt der strukturelle „Sprung in der Platte“ dann tatsächlich an zu rocken und lässt das Geschehen abheben bis zum nächsten Break, aber oft hätte man sich eine komplexere Verschachtelung der einzelnen Repetitionseinheiten gewünscht und so trägt das Ganze nicht wirklich drei Stunden. Der „ParZeFool“ wird jedoch regelmäßig von einer wunderbar schrägen Instrumentation gerettet, die das Geschehen ins Abgründige zieht oder latent ironisiert. Mikrotonale Eintrübungen begegnen darin ebenso wie überdrehte Jazz-Anleihen. Und wenn Countertenor Daniel Gloger mit schriller Inbrunst seine „Wunde“ bekreischt, wird es explizit tragikomisch, insgesamt fällt seine „Hauptpartie“ stimmlich aber überraschend dünn aus. (Kairos, 3CDs)
Die Blockflöte fristet in der zeitgenössischen Musik ein traditionell doch eher unterbelichtetes Dasein. Aber was heißt schon dieBlockflöte? Wie elaboriert und vielfältig das Klangrepertoire der Helder-Tenorblockflöte sein kann, beweist Susanne Fröhlich hier mit Entdeckergeist und bezwingender Musikalität. Ihre erste Portrait-CD ist das Ergebnis intensiver Forschungen, die in der spieltechnischen Weiterentwicklung der Helder-Flöte in Zusammenarbeit mit Erik Jahn mündeten. Die neuartigen Ausdrucksmöglichkeiten und Klangfarben lasen sich bewundern in einem experimentierfreudigen Programm mit Komponisten/-innen, die oft selbst an der Flöte aktiv sind: Der Kanadier Peter Hannan hat mit „RSRCH 12/84 – Dream“ (1984) und seinen ausgeklügelten Multiphonics, scheinpolyphonen Akzentuierungen und krummen Patterns eine rhythmische Steilvorlage für Fröhlich geschrieben. Besondere Aufmerksamkeit beanspruchen jedoch hybride Mischungen von Elektronik und Instrumentalklang: Man höre und staune, welche Klänge hier der „Helder-Jahn“ in den vielschichtigen Klangräumen von Terri Hrons „Beast Calls – Susi Spinus“ (2019) entspringen. Man staunt noch mehr in „Semaphor“ (2018), das Fröhlich mit dem Klangkünstler Gerriet K. Sharma konzipiert hat: Eine geräuschträchtige Raumkomposition für Flöte und Ikosaeder-Lautsprecher, die skulpturale Konturen oder feinsten Geräusch- und Farbnuancen entwickelt, die zum genauesten Hinhören motivieren. Das übliche CD-Booklet wird übrigens von einem „Audio Guide“ ersetzt, mit instruktiven Einführungen der Solistin und teils anderen Abmischungen der eingespielten Stücke. (orlando records, 2CDs)
In der „Edition Zeitgenössische Musik“ hat aktuell Oxana Omelchuk das Wort: „Der Kopf eines Musikers funktioniert wie ein Sampler. Er ist mit unendlich viel musikalischem Material geladen.“ Im Rahmen wuseliger Collagen kann somit alles Verwendung finden, was die Geschichte der Musik so anzubieten hat. In den frühen „Sieben Intraden“ (2004) nehmen Omelchuks Verfremdungen und Deformationen noch bedrohliche Züge an; im „Quodlibet“ (2006) wird daraus ein swingendes Scherzo, das seine Fundstücke im Big Band-Sound frikassiert. „Wow and Flutter“ (2017) blendet Versatzstücke aus Ragtime, Jazz, Rock und Operngesang grell ins Geschehen oder reduziert sie auf kleine Licks und Riffs, auf denen sich wieder andere Klangwelten ansiedeln. „Ballare“ für Schlagquartett und Video (2014) dürfte der erste Fall einer Transformation von Bewegungsabläufen eines konkreten Fußballspiels (Deutschland – Schweden 2012) in perkussive Klangprozesse darstellen. Neben Omelchuks Hang zum musikalischen Comic-Strip gibt es aber auch noch eine andere Seite der Komponistin: das kontemplative Abtauchen in ein begrenztes Klanginventar, das in improvisatorischen Duo-Formaten stattfindet. (Wergo; CD + DVD)