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Phonetisches Bleigießen überflüssig

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Neuveröffentlichungen der Popbranche im Januar/Februar · Von Sven Ferchow
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Vom neuen Jahr erwartet man innovative Trends und jede Menge Überraschungen. Muss aber nicht sein. Auch Altbewährtes kann gut funktionieren.

So zum Beispiel das Album „New Road“ von San Glaser. Mit Jazzkantine oder Stefan Gwildis arbeitete sie bereits erfolgreich zusammen. Nun gibt es das zweite Album. Und das steht in guter Tradition des Debütalbums. Eine individuelle Form der Jazzinterpretation trifft auf kompatiblen Pop. Das funktioniert, weil San Glaser sich dezent in den Mittelpunkt rückt und der Musik Platz lässt. Die Ehrlichkeit der Songs, die Direktheit der Umsetzung und ein Gefühl der Geborgenheit machen diese Platte zu einem Erlebnis. Darf man ruhig mal ausprobieren (www.sanglaser.com).

Lange drei Jahre war es ruhig um die unabhängige Popband Montag aus Hamburg (siehe auch das Porträt auf Seite 7). Aber man hat sich wieder gefunden. Nach lehrreichen Nachdenkprozessen stellen sie mit „Montag“ ihr drittes und bestes Album vor. Warum? Weil es zunächst mit wunderschönen Melodien voll gestopft ist. Die darüber hinaus in einer dichten aber dennoch lockeren Produktion Platz gefunden haben. Und weil Julian Friedrich genau jene Art von Texten verfassen kann, die wir alle gerne schreiben würden. Aus dem Leben, Seelen entblößend und kaum verklausuliert. Montag legen mit ihrem Album die Basis, einen eigenen Denkprozess zu beginnen. Zu dem sie völlig unvoreingenommen die Begleitmusik liefern. Einfach schön und Achtung Schleimspur: Eine der besten deutschen Bands. Die sollte man gut pflegen. Unbedingt antesten (www.montag-musik.de).

Als modernen Jazz im weiten Sinn könnte man die Arbeit von The Five Corner Quintet bezüglich ihres Albums „Hot Corner“ bezeichnen. Irgendwo in der Vergangenheit kratzen die Finnen sich einige Jazzwurzeln zusammen und unterziehen jene einer aktuellen Version, einem Reboot, einem Update. Diesmal unterstützt vom Ausnahmesänger Mark Murphy, der ihnen bei drei Songs seine Stimme borgt. Ein doch tanzbares Album mit allerlei Späßchen aber genug ernster Musik, um im Jazz auch Innovatives aus Rock, Swing und Blues zu entdecken (www.thefivecornersquintet.com).

Michale Graves war einst Sänger der Punkband „The Misfits“. Nun macht er vor allem Schlagzeilen durch seine Pro-Bush-Haltung und der Zugehörigkeit zum „Conservative Punk“, was wohl bedeutet, dass alle Ex-Punks mittlerweile ein Girokonto besitzen. „Illusions Live Viretta Park“ ist ein verworrenes Album, das aus einem Liveauftritt von Graves (inklusive einiger Misfits-Songs) besteht und anschließend Demosongs enthält, die mit einem Film in Zusammenhang stehen. Maßgeblich werden alle Darbietungen mit Akustikgitarre und Graves’ Gesang bestritten. Ja, irgendwie hat das alles Charme, wenn die immergleichen Akkorde zum winseligen wie wackeligen Gesang des Michale Graves ertönen. Vielleicht hat er früher mal den Punk gelebt. Jetzt lebt er als Songwriter. Man kauft es ihm ab (www.michalegraves.net).

Respekt vor The New Black. Eine Band aus Würzburg, die mit „The New Black“ ihr erstes Album präsentiert (www.myspace.com/thenewblackofficial). Zwar sind manche Bandmitglieder alte Haudegen im Geschäft, bisher allerdings in verschiedenen Konstellationen der Rockgeschichte. Nun, es handelt sich hier um gepflegte Rockmusik, die zum einen vom sehr guten Gesang und zum anderen von ordentlichen Gitarren, die sich nicht zu wichtig nehmen, getragen wird. Das große Plus: Man greift sich keine angloamerikanischen Vorbilder und walzt deren Songideen platt. Im Gegenteil. The New Black hat eine eigene Vision. Und die klingt jedenfalls international ohne sich anzubiedern oder klare europäische Wurzeln zu verleugnen. Rockfan, was willst Du mehr?

Diskographie

San Glaser – New Road (23.01.09, Flash Records/Soulfood)
Montag – Montag (30.01.09, tapete records)
The Five Corner Quintet – Hot Corner (14.11.2008, Ricky Tick Records)
Michale Graves – Illusions Live Viretta Park (20.02.09, Screaming Crows Records)
The New Black – The New Black (23.01.09, AFM Records)

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