Ich erinnere mich gut an dieses Konzert von Oscar Peterson beim Klaviersommer 1994 +++ Dado Moroni hat die Geschichte des Jazzklaviers verinnerlicht und daraus einen packenden Personalstil geformt +++ Marc Coplands „Alter Ego“ wurde im Overdub-Verfahren aufgenommen, jedoch live vor kleinem Publikum
Pianistische Sternstunden
1
Ich erinnere mich gut an dieses Konzert von Oscar Peterson beim Klaviersommer 1994 mit besonderem Glanz, das nun unter dem Titel „City Lights – The Oscar Peterson Quartet Live in Munich, 1994“ veröffentlicht wurde. Schon im Vorjahr hätte er auftreten sollen, doch ein Schlaganfall verhinderte dies. Wir befürchteten, seine Laufbahn sei beendet. Und wenn er wieder spielte, was bliebe von den drei Hauptmerkmalen seiner Musik: Virtuosität, Vitalität und Optimismus? Der Schlaganfall hatte den Gebrauch seiner linken Hand stark beeinträchtigt, doch Peterson begann mit zäher Entschlossenheit, verlorenes Terrain zurückzuerobern. Seine Begleiter – Lorne Lofsky (Gitarre), Niels-Henning Ørsted Pedersen (Bass) und Martin Drew (Schlagzeug) – unterstützten ihn dabei perfekt. Die Mitstreiter übernahmen mehr solistische Aufgaben als früher, wobei Ørsted Pedersen, der wieselflinke Geistesverwandte, sogar ein reines Solostück spielte. Aufgaben und Klangbereich der linken Hand waren bestens delegiert. Peterson kaschierte die Einschränkungen geschickt. Die enorme Geläufigkeit und Anschlagskultur seiner rechten Hand bot unzählige Möglichkeiten. Diese nutzte er mit rückhaltloser Virtuosität und kraftvoll swingend, ohne jedoch mit der Power von einst aufzutrumpfen. Stattdessen bahnte er sich den Weg zu den Herzen seines Publikums mit lyrischen, zärtlichen Tönen. Sein Spiel wirkte lichter, entschlackter, aber keineswegs ärmer. Die Musik strahlte Lebensfreude aus – die eines Überwinders widriger Umstände. Dieses erste Live-Album nach dem Schlaganfall ist ein bewegendes Zeugnis seiner ungebrochenen künstlerischen Kraft. (Mack Avenue)
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Dado Moroni hat die Geschichte des Jazzklaviers verinnerlicht und daraus einen packenden Personalstil geformt, der ebenso schlüssig wie flexibel ist. Peterson, Tatum, Powell, Jamal – sie alle leben in seinem Spiel weiter. „Morges 2009“ zeigt, wie stark ihn seine zehn Jahre in New York prägten. Sein Spiel klingt amerikanisch, näher an Kenny Barron oder Monty Alexander als an italienischen Kollegen wie Enrico Pieranunzi oder Stefano Bollani. Mit dem inzwischen verstorbenen Rhythmusgespann Reggie Johnson (Bass) und Peter Schmidlin (Schlagzeug) entstand ein mitreißendes Konzert voller Energie und Überraschungen. Faszinierend ist vor allem die Lebendigkeit seines Spiels. Dynamik und Drive, Power und Feuer gehen Hand in Hand mit umwerfendem Swing, einer stupenden Technik (auch der linken Hand!) und einem nie versiegenden Ideenfluss. Er zieht lange Spannungskurven durch die Stücke und steigert sich immer wieder, kulminierend im finalen Feuerwerk von „Just One Of Those Things“. (TCB)
3
Marc Coplands „Alter Ego“ wurde im Overdub-Verfahren aufgenommen, jedoch live vor kleinem Publikum. Copland interagiert hier mit sich selbst, indem er einen Part einspielt und darauf improvisiert. Schon Bill Evans, eines seiner großen Vorbilder, hatte mit „Conversations With Myself“ 1963 diese Methode angewandt, allerdings im Studio. Copland greift mit „Spartacus Love Theme“ und „Round Midnight“ zwei Stücke dieses Albums auf, interpretiert sie jedoch auf ganz eigene Weise. Seine Version von „Some Other Time“ baut auf der anzitierten von Evans auf. Der feinnervige Klavierimpressionist hält Zwiesprache mit sich selbst, wobei der erste Part nicht bloß als Klangteppich dient, sondern das zweite Ich herausfordert und Interaktion ermöglicht. Wie bei dem eher zur Reduktion neigenden Copland nicht anders zu erwarten, macht auch ein Klavier mehr seine intime Musik nicht aufdringlicher, schneller oder lauter. Alles ist luftig und duftig, abgeklärt, gelegentlich ätherisch. Zwei Stücke stammen aus seiner Feder. Bei den anderen handelt es sich überwiegend um Standards, in denen die Themen stets erkennbar bleiben, doch durch Gegenstimmen und harmonische Finessen verwandelt wie in ein Zauberland entrückt scheinen, in dem die Klänge ruhig schweben, leicht auf- und abwogen und sanft leuchten. Der im Sternzeichen des Zwillings geborene Tastensensibilist genießt sichtlich die Überraschungen, die ihm sein Alter Ego bietet. (TCB)
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