Malin Bång ist eine Komponistin, die die experimentelle Erweiterung des Instrumentalklanges noch längst nicht ad acta gelegt hat und diese oft im kommunikativen Spannungsfeld großer Besetzungen erkundet. +++ Nach den „Amproprifications“ von Maximilian Marcoll nun die „Amphiference“ von Steffen Krebber, ein Neologismus, der ebenfalls ein speziell entwickeltes Verfahren der Modifizierung von Instrumentalklängen im Hinblick auf bereits bestehende Musik beschreibt. +++ Eine weitere Vinyl-Novität aus dem Hause Umland stammt von Ephemeral Fragments
Malin Bång ist eine Komponistin, die die experimentelle Erweiterung des Instrumentalklanges noch längst nicht ad acta gelegt hat und diese oft im kommunikativen Spannungsfeld großer Besetzungen erkundet. Das demonstrieren hier eindrucksvolle Uraufführungsmitschnitte mit erfreulicher Intensität: Klangräume voller Dynamik und Energie, die nicht selten in der Fülle urbaner Lebenswirklichkeit ihren Anfang nahmen. „avgår, pågår“ (2014) ist inspiriert von den akustischen Eindrücken ihrer Heimatstadt Göteborg. Bång entwickelt daraus eine unwirtliche Klangtopografie mit schroffen Verwerfungen und schrillen Farben. Aber Bångs geräuschhaft aufgeraute Klanginteraktionen verkörpern weit mehr als musikalisches Mimikry gesellschaftlicher Infrastruktur zwischen Verkehrslärm und Hafenindustrie. Hier wächst und gedeiht und kollidiert Klangmaterie, der das WDR Sinfonieorchester mit Ilan Volkov eine geradezu physikalisch wirksame Stofflichkeit einverleibt. Der Stuttgarter Wagenburgtunnel stand Pate für die Massivität und Rohheit der Klänge von „ripost“ (2015): eine orchestrale Großbaustelle des SWR Symphonieorchesters mit Peter Rundel als Baustellenleiter. Da hämmert und quietscht, reißt und röhrt es an allen Ecken, als würde mit vollem Einsatz von Mensch und Material geackert. „splinters of ebulliant rebellion“ (2017/18) war bereits Bestandteil des Donaueschingen-Samplers 2018. Dort wird Gesellschaftsreflexion als kontrastive Block-Bildung evident, in der sich Individuum und Kollektiv klanglich begegnen. Der Sound einer Schreibmaschine (für die Komponistin ein Symbol der Fähigkeit zur Reflektion) rahmt eine Klanglandschaft von bedrohlicher Dichte und Komplexität ein, wo Stimmen sich zu unheilvollem Kollektiv-Geflüster vermengen und idyllische Spieluhr-Klänge trügerische Episoden der Ruhe darstellen. (Neos)
Nach den „Amproprifications“ von Maximilian Marcoll nun die „Amphiference“ von Steffen Krebber, ein Neologismus, der ebenfalls ein speziell entwickeltes Verfahren der Modifizierung von Instrumentalklängen im Hinblick auf bereits bestehende Musik beschreibt. Bei Krebber bedeutet das eine Bearbeitung von Instrumentalklängen per „Faltungsfilter“, wo Klangspektren des einen Instrumentes in Echtzeit in die eines anderen gemischt werden können und in dieser gegenseitigen Beeinflussung neue Klangphysiognomien entstehen. Im titelgebenden „Amphiference“ sind das ein Moog-Synthesizer (Ulrich Löffler) und ein Schlagzeug (Dirk Rothbrust), die mit Pink Floyds „Echoes“ aus dem Album „Meddle“ (1971) im Hinterkopf ein psychedelisches Duo bilden. Das beginnt als undurchsichtiges Rauschen und dumpfes Röhren als wären es urbane Field Recordings am Kölner Rheinufer, doch ganz allmählich entwickeln die Klangbänder melodische und rhythmische Konturen und steigern sich in einen imaginären Jazz-Rock hinein. Verglichen mit diesem geräuschträchtigen Amalgam aus historischen Psychedelic-Oberflächen und hybrider Klang-Komposition, kommt die B-Seite ungefiltert rockig daher. „Are you Prepared Experience“ ruft Jimmy Hendrix aus dem Off, also übernimmt das Cello (Jan-Filip Tupa) im Duett mit einem druckvollen Drum-Kit unüberhörbar die Rolle der Gitarre. Da gibt es echt falschen Rock mit kreischenden Soli, vertrackten Riffs und fetten Beats und am Ende nimmt das durchaus groteske Züge an. Referenzielle Vergangenheit und klangliches Hier und Jetzt verschmelzen hier so ambivalent wie die stilistischen Sphären. (Umland Records, LP)
Eine weitere Vinyl-Novität aus dem Hause Umland stammt von Ephemeral Fragments aka Emily Wittbrodt (Violoncello), Florian Walter (Tubax) und Korhan Erel (Electronics). So flüchtig und fragmentarisch ist das Ganze aber gar nicht, eher ein klangintensives Erlebnis von neun Trio-Stücken „Mit Gefühl“, so der Titel der Platte. Da braut sich mit atmosphärischer Dichte so Einiges zusammen in hybriden Farbmischungen, feinen Geräuschnuancen und melodischen Restbeständen zwischen Unruhe und Kontemplation, versehen mit einem gehörigen Quantum Melancholie. Am besten spät hören… (Umland Records, LP)