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Ben Howard
Ben Howard
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Punk, Metal, Artrock, Songs und Chanson(g)s

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Neuveröffentlichungen der Popindustrie, vorgestellt von Sven Ferchow
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Neue CDs von Ben Howard, Billy Idol, Dark Horse, Les Maries, Slipknot und The Rua.

Wie unglaublich ist das denn bitte? Billy Idol veröffentlicht nach einem Jahrhundert in der Versenkung ein neues Album. „Kings & Queens of the Underground“ nennt sich das. Passt ja immer. Bei Billy Idol. Aber was liefert er ab? Ganz klar, den totalen Wahnsinn. Das ist Idol-Pop-Rock. Klingt bei „Bitter Pill“ und „Save me now“ nach wieder auferstandenen Simple Minds, bei „Can’t break me down“ oder „Postcards…“ nach stecken gebliebenen Spätachtzigern. Muss man sich erstmal trauen, denn Billy Idol schreckt auch nicht vor billigen Balladen („Eyes Wide Shut“) zurück. Aber: ist eben mit mehr Mumm gespielt als die anderen Milchbubis je haben werden. Große Rückkehr, auch wenn Sie mich für verrückt erklären (Bfi Records).

Gott sei Dank wissen die Rocker von Slipknot noch, wie man einen ordentlichen Rocksong ins Mikrofon brüllt und ohne große Übersteuerungs- Dramen digitalisiert. „.5: The Gray Chapter“ mutet als Albumtitel seltsam an, aber warum über den seltsamen Punkt vor der „5“ unterhalten … Zu hören gibt es alles, was die Generation Crossover- Band vor knapp 15 Jahren beliebt machte. Alles niedermähende Gitarren, malträtierende Drums, übertünchter Bass und ein Geschrei, das meist in der Strophe Angstzustände verursacht, aber doch im Refrain etwas Vertrautes verbreitet. Natürlich. Nervös machen diese Gitarrenriffs. Aber selbst in dieser Struktur sind sie liebevoll gestaltet, wegweisend und so, wie man sie von Slipknot erwarten würde. Im Prinzip sind die Jungs wie Persil. Nach so vielen Jahren weiß man immer noch, was man hat (Roadrunner Records).

23 Jahre alt. Ben Howard. Und dann legt er so ein Album auf den Kassentisch. „I Forget Where We Were“ ist nicht sein erstes Album. Merkt man. Viel Erfahrung in den Songs, viel Gefühl, viel Welt. Meist dezent im Folk angesiedelt, entwickeln sich die Songs in eine Richtung, die nicht Pop ist. Nicht Rock. Oder Independent. Und so lieben wir das. Unkatalogisierbare Künstler. So wie Ben Howard. Der es als Songschreiber schafft, nicht nur seine Akus-tikgitarre anzuvisieren. Der sich unaufdringlich in den Mittelpunkt schiebt, Streicher walten und Drums galoppieren lässt oder dem Piano die Tür öffnet. Schon sehr schön (Island).

Die drei Geschwister „Brown“ aus England nennen sich The Rua. Wir lassen die Vergleiche mit anderen Geschwisterbands und konzentrieren uns auf das Album „Essence“. Musikalisch, instrumental, kompositorisch astrein. Gesanglich geht es mit Sängerin Roseanna Brown schon ab und an Richtung Glassprung, aber in Gänze sind das elf klare Popsongs, deren Zielgruppe schwammig bleibt. Radiohörer kennen diese Art Musik, müssen aber seit 1985 John Farnham oder „We built this city“ ertragen. Ob die drei Engländer da ihren Platz finden? Schön wäre das, denn objektiv ist das perfekte Radio- Mucke (F.O.D.).

Artrock nennt man das wohl, was Dark Horse auf „Hail Lucid State“ anbieten. Kopfkino mit anderen Worten. Es geht um Geräusche, singende Gemälde, Songkleckser und unverfolgbare Arrangements. Das ist ambitioniert, in vielen Fällen (Songs) gut umgesetzt und interessant. Freilich ist das „am Stück hören“ unmöglich. Spätes-tens nach drei Songs ist der Wahnsinn in der Bude. Aber wer gern Freigeist ist, darf sich bei Dark Horse freuen (Last Gang Records).

Nach Billy Idol und Slipknot sind Les Maries mit Marie-Laure (Gesang und Keyboard/Klavier), Klaus Sieg (Gitarre, Hawaiigitarre), Heiko Quistorf (Akkordeon) und Wolle Rummel (Schlagzeug) keine leichte Kost. Singen sie doch deutsch und französisch. Vom Meer, von Häfen, der See, der Weite, der gewissen Ungewissheit, der unfassbaren Ewigkeit und dieser verdammten Frage als Albumtitel: „Wie Weit Ist Weit Weg“? Eine Antwort finden Les Maries nicht. Zum Glück. Aber sie führen uns in ihren Chansons und ihren Gischt umspülten Liedern vorsichtig in verschiedene Richtungen, die mal aufgekratzt, mal düster, mal jazzig, mal alternativ durchs Leben lotsen. Dazu deutsche Texte, die seriös sind, doch mitunter doppeldeutig, nachdenklich und schon frivol. Gehen wir als „Französisch-in-der-Zwölften-Ableger“ einmal davon aus, dass desgleichen die französischen Texte zu handhaben sind. Charmantes Album, alles richtig gemacht, bitte weiter machen (jimme records). 

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