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Rockstar, Popstar und eine britische Sängerin

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Veröffentlichungen der Popindustrie zwischen den Jahren
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Rumer – Seasons of my soul, Stefan Schultze & Large Ensemble – The Run, Stefan Dettl – Rockstar, Bobby Bazini – Better in Time, Grant Hart – Oeuvrevue, Regina Spector – Live in London

Rumer ist Britin, jung und kann gut singen. „Seasons of my Soul“ beweist das. Naserümpfend mag man von „sophisticated“ Pop sprechen. Aber auch den muss man hörtauglich auf die Beine stellen. Rumer macht das relativ spannend. Obwohl die Songs gerne gluckern und rinnen, entfaltet sich bei Gelegenheit dieser Hauch von Aura. Mal jazzgefärbt, mal aus tiefster Seele. Oft melancholisch, selten ausgelassen. Eine Lebenszustandsbeschreibung in jeder Sekunde. Ein Debutalbum, das nicht weh tut, stimmlich von einer romantischen, aber zumutbaren jungen Künstlerin präsentiert wird. Passt ganz gut in die Wartezimmer der Privatklini­ken. Hörhinweis: Aretha, Healer, Slow.

Zwei Eckpunkte kreisen Stefan Schultze und sein Album „The Run“ ab: ein mächtiger Bigband-Sound und der Drang nach Experimenten, sprich Avantgarde. So ein klein wenig muss man sich vom geläufigen Geräusch der Bigband verabschieden, wenn man sich „The Run“ zutraut. Bekannt ist zwar einiges, doch Stefan Schultze biegt und bricht das in alle gangbaren Richtungen. Gegensätze, die sich polarisieren und ins Schlepptau nehmen, Stilrichtungen, die sich anpassen, aber doch verschieden sind. Klänge, die manchmal überfordern, aber nie abstrus werden. Dass alles dennoch passt, ein Gesamtwerk ergibt, ist Stefan Schultze hoch anzurechnen. Bodenständig abklopfen, was möglich ist. So, bitteschön, macht Bigband-Sound Spaß. Hörhinweis: Granada.

Stefan Dettl mag vielen von der blasmusiklastigen, alternativen, aber europäisch verwurzelten Formation „La­BrassBanda“ kennen. Dass die gerne in fremde Welten eintauchen, ist bekannt. Stefan Dettl geht nun in eine neue Richtung. Der Titel des Albums „Rockstar“ mag es vorwegnehmen: Rockmusik der kernigen Gattung. Flankiert von bayerischen Texten mit Chiemgauer Lokalkolorit. Das ist zu Beginn sehr, sehr, sehr gewöhnungsbedürftig. Doch spätestens mit dem zweiten Song „Bleame“ ist es passiert. Dettl ist verständlich, spricht eine universelle Sprache und macht in jedem der zwölf Songs eine prima Figur. Der Grund ist eine unaufgesetzte Authentizität, die selbst im Rapgewand natürlich und frei von Zwängen daherkommt. Eine andere Melodie von Rockmusik. Aber sehr, sehr, sehr reizvoll. Hörhinweis: Bleame, Weil i di mog.

Der Kanadier Bobby Bazini (siehe auch Seite 5) ist das Gegenstück zur Britin Rumer (siehe oben). Nur die Popmusik sucht manvergeblich. Folk, Country, Blues und Songschreibertum sind die Bausteine, die „Better in Time“ zu einem delikaten Album machen, das ohne große Lobhudelei für sich steht und spricht. Relativ wissend geht Bazini trotz des jungen Alters (20) an seine Songs ran. Erforscht ein wenig die Grenzen seiner Lieblingsgenres und schafft es, eine überzeugende Genügsamkeit als Schleifchen um die Songs zu wickeln. Das macht ihn, aber umso mehr seine Songs liebenswert. Wäre Weihnachten nicht schon durch, müsste man hier eine klare Kaufempfehlung aussprechen. Geht aber auch ohne Weihnachten. Hörhinweis: Oh Katy, Freaky, Learn again.

Nun, um was es bei Grant Hart (der ehemaligen einen Hälfte von Hüsker Dü) und seinem Album „Oeuvrevue“ geht, wird vor allem den Sammlern und Jägern schnell deutlich: Grant Hart sucht sein Gedächtnis. Speziell zwischen den Jahren 1988 bis 1995, aber wer will das noch so genau wissen. Deshalb sind die B-Seiten-Songs seiner Solokarriere eine bittere wie süße Sammlung verlorener Jahre. Manches könnte laut Netzforen aus der Zeit der Band „Nova Mob“ stammen. Einen roten Faden gibt es zwischen den Studio- und Liveaufnahmen nicht. Von daher gilt für alle Sammler: hamstern, was das Zeug hält. Hörhinweis: Evergreen memorial drive.

Über Regina Spector muss man nichts sagen. „Live in London“ ist ein umfassendes Paket mit CD (22 Songs) und DVD (15 Songs). Aufgezeichnet wurde im Londonder Hammersmith Apollo. Eine wunderbare Veröffentlichung. Hörhinweis: alles.

Diskographie

Rumer – Seasons of my soul (Atlantic, 18.02.2011)
Stefan Schultze & Large Ensemble – The Run (Double Moon Records, 28.01.2011)
Stefan Dettl – Rockstar (RCA, 04.02.2011)
Bobby Bazini – Better in Time (Mungo Park Records, 04.03.2011)
Grant Hart – Oeuvrevue (Hazelwood Vinyl Plastic, 26.11.2010)
Regina Spector – Live in London (Warner, 26.11.2010)

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