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Schleiermacher modern

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Kammermusik der Wiener Schule von Schönberg, Berg, Webern, Apostel, Eisler, Hauer und Spinner; Ensemble Avantgarde: Andreas Seidel, Violine, Matthias Kreher, Klarinette, und Steffen Schleiermacher, Klavier.
MDG/Codaex 613 12 17-2

Die Wiener Schule – Lehrer und Gefolgsleute: Anton Webern. Musik von Webern, Wolpe, Herscovici, Spinner, Focke, Elston, Leich und Searle; Steffen Schleiermacher, Klavier (auch auf den folgenden CDs).
MDG 613 1282-2

American Ultramodernists 1920–1950: Dane Rudhyar, Ruth Crawford, CarI Ruggles und Henry CoweII.
MDG 613 1265-2

Klaviermusik der Darmstädter Schule, Folge 2: Brown, Kagel, Pousseur, Lachenmann und Stockhausen.
MDG 613 1005-2

Steffen Schleiermacher, Leipziger Hansdampf in allen Gassen der Moderne, macht es seinen Fans nicht eben leicht, mit seinem immensen Ausstoß an hochinteressanten CDs Schritt zu halten, die er überwiegend als Klaviersolist, jedoch auch als Kopf seines Ensembles Avantgarde für verschiedene Labels aufnimmt. Hier möchte ich einige neuere Programme für Dabringhaus & Grimm vorstellen, die er para-llel zu seinem Satie-Zyklus realisierte. Zunächst eine Trioscheibe mit teils vertrauter, teils obskurer Kammermusik aus dem Schönberg-Kreis: Weberns Stücke op. 7 und die späte Violinfantasie von Schönberg kennt man, aber wer könnte dies von den Duostücken op. 28 seines Gegenspielers Josef Matthias Hauer behaupten? Die Triobearbeitung vom Mittelsatz des Berg’schen Kammerkonzerts ist immer noch vertrauter als die Soloklarinettensonatine seines Schülers Apostel. Die Vier Stücke op. 5 von Berg gehören zum eisernen Bestand der Klarinettenliteratur, aber wer hat schon die reihentechnisch komponierte Suite op. 10 des Webern-Eleven Leopold Spinner gehört? Spinner taucht (mit einer noch zu Weberns Lebzeiten entstandenen Sonate) auch auf der nächsten CD auf. Im Zentrum eines Überblicks über von Webern geprägte Komponisten stehen zwei Zyklen: die vor dem Krieg komponierte „Zemach-Suite“ von Stefan Wolpe und die zwanzig Klavierstücke des „Tombeau pour Vincent van Gogh“ (1951) des immer noch zu entdeckenden Niederländers Fré Focke. Auf kargere Kost muss man sich bei den „American Ultramodernists“ einstellen, deren (anders als in der Überschrift angekündigt) fast durchweg in die 20er-Jahre zu datierende Klavierexkurse einen bewussten Gegenentwurf zur gerade modischen Neoklassik bilden: Henry CowelI durfte sogar als Entdecker des Clusters und des SpieIs im Inneren des Klaviers in die Geschichte eingehen. Die geheimen Fäden des Programms laufen bei Dane Rudhyar zusammen, dem Schleiermacher bei ART eine eigene CD gewidmet hat. Am haltbarsten scheinen mir jedoch die Präludien der bereits mehrfach diskographisch gewürdigten Ruth Crawford Seeger. In der zweiten Folge „Klaviermusik der Darmstädter Schule“ schließlich begeben wir uns nach den Pionierwerken der 50er-Jahre ins nächste Jahrzehnt. Während Earle Brown und Henri Pousseur (der vielleicht eine Wiederentdeckung wert wäre) ihre Stück auch schon früher hätten schreiben können, knüpft Kagels „Mimetics (Metapièce)“ insofern an Cage an, als ein anderes Werk eines lebenden Komponisten (hier Schleiermacher selber) dazu simultan zu erklingen hat. Lachenmanns „Echo andante“ steht noch unter dem Einfluss seines Lehrers Nono, während Stockhausens Klavierduo „lntervalle“ aus dem Zyklus von Textkompositionen „Für kommende Zeiten“ (1969) dem Motto gehorchend in eine andere Ära gehört: die der intuitiven Musik, wo der Interpret über sich hinauswächst, da er mit einer eigenschöpferischen Leistung betraut wird.

Wem dies noch nicht reicht: Zwei Folgen „Asia Piano Avantgarde“ sind ebenfalls bereits veröffentlicht. Schleiermacher erkundet also unermüdlich Haupt- wie Nebenwege des 20. Jahrhunderts. Dabei geht es ihm weniger um eine qualitative Bewertung irgendwelcher Raritäten (darum möge sich die Musikwissenschaft kümmern) als darum, Lichtkegel in die Schattenzonen unserer Repertoire(un)kenntnis zu werfen. Andere mögen die Fundstücke dann sortieren, aufpolieren und ergänzen. Doch die archäologische Leistung wird Schleiermacher keiner streitig machen.
Mátyás Kiss

bei den „American Ultramodernists“ einstellen, deren (anders als in der Überschrift angekündigt) fast durchweg in die 20er-Jahre zu datierende Klavierexkurse einen bewussten Gegenentwurf zur gerade modischen Neoklassik bilden: Henry CowelI durfte sogar als Entdecker des Clusters und des SpieIs im Inneren des Klaviers in die Geschichte eingehen. Die geheimen Fäden des Programms laufen bei Dane Rudhyar zusammen, dem Schleichermacher bei hatArt eine eigene CD gewidmet hat. Am haltbarsten scheinen mir jedoch die PräIudien der bereits mehrfach diskographisch gewürdigten Ruth Crawford Seeger. In der zweiten Folge „Klaviermusik der Darmstädter Schule“ schließlich begeben wir uns nach den Pionierwerken der 50er-Jahre ins nächste Jahrzehnt. Während Earle Brown und Henri Pousseur (der vieIleicht eine Wiederentdeckung wert wäre) ihre Stück auch schon früher hätten schreiben können, knüpft Kagels „Mimetics (Metapièce)“ insofern an Cage an, als ein anderes Werk eines lebenden Komponisten (hier Schleiermacher selber) dazu simultan zu erklingen hat. Lachenmanns „Echo andante“ steht noch unter dem Einfluss seines Lehrers Nono, während Stockhausens Klavierduo „lntervalle“ aus dem Zyklus von Textkompositionen „Für kommende Zeiten“ (1969) dem Motto gehorchend in eine andere Ära gehört: die der intuitiven Musik, wo der Interpret über sich hinauswächst, da er mit einer eigenschöpferischen Leistung betraut wird.

Wem dies noch nicht reicht: Zwei Folgen „Asia Piano Avantgarde“ sind ebenfalls bereits veröffentlicht. Schleiermacher erkundet also unermüdlich Haupt- wie Nebenwege des 20. Jahrhunderts. Dabei geht es ihm weniger um eine qualitative Bewertung irgendwelcher Raritäten (darum möge sich die Musikwissenschaft kümmern) als darum, Lichtkegel in die Schattenzonen unserer Repertoire(un)kenntnis zu werfen. Andere mögen die Fundstücke dann sortieren, aufpolieren und ergänzen. Doch die archäologische Leistung wird Schleiermacher keiner streitig machen.

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