Hauptbild
Donaueschingens Hallen haben ihre Pforten gerade geschlossen, da erscheint bei NEOS der Rückblick des vergangenen Festival-Jahrgangs. Ausgewählt wurden Kompositionen von Ivan Fedele, Malin Bång, Marco Stroppa, Agata Zubel, Mirela Ivicevic …
Donaueschingens Hallen haben ihre Pforten gerade geschlossen, da erscheint bei NEOS der Rückblick des vergangenen Festival-Jahrgangs. Ausgewählt wurden Kompositionen von Ivan Fedele, Malin Bång, Marco Stroppa, Agata Zubel, Mirela Ivicevic …
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Semantische Untersuchungen

Untertitel
Neue CDs neuer Musik, vorgestellt von Dirk Wieschollek
Publikationsdatum
Body

Musik von aus und mit: Donaueschinger Musiktage 2018, Clemens Gadenstätter, Ivan Fedele, Malin Bång, Marco Stroppa, Agata Zubel, Mirela Ivicevic, Francesco Filidei, Hermann Meier, Brian Ferneyhough, Stephan Winkler, Martin Rane Bauck, Heather Roche (Klarinette) und dem Ensemble neoN.

Donaueschingens Hallen haben ihre Pforten gerade geschlossen, da erscheint bei NEOS der Rückblick des vergangenen Festival-Jahrgangs. Ausgewählt wurden Kompositionen von Ivan Fedele, Malin Bång, Marco Stroppa, Agata Zubel, Mirela Ivicevic, Francesco Filidei und Hermann Meier. Allesamt Stücke, die Donaueschingens Tradition innovativer Orchesterkomposition hochhalten, manch bemerkenswert anders formatierte UA (z. B. Enno Poppes „Rundfunk“) wird jedoch unterschlagen. Einen Höhepunkt von Donaueschingen 2018 markierte das mit dem Orchesterpreis gewürdigte „splinters of ebullient rebellion“ von Malin Bång, dessen geräuschträchtige Reibungen durchaus gelungen gesellschaftliche Reibungs- und Bedrohungspotentiale reflektierten. Komplexe Gefüge und kantige Polarisierungen, wo diffuse Stimmen und Melodiefragmente etwas unsicher Menschelndes hineintragen. Marco Stroppas „Come Play With Me“ beginnt auffallend spielerisch und harmlos, um dann mehr und mehr in Klang-Gewalt zu versinken. Solist dieses ‚Konzertes‘ ist die Elektronik, die einem zentralen Lautsprecherturm entspringt und ihre hybriden Klänge in alle Richtungen schickt, darunter so Einiges an klanglichem Vintage. Leider sind die Verantwortlichen den 2014 beschrittenen Weg nicht weitergegangen, per DVD auch intermediale Arbeiten zu berücksichtigen und so liegt hier nicht unbedingt ein ausgewogenes Abbild aktueller künstlerischer Entwicklungen auf dem Donaueschinger Podium vor. (NEOS, 2 CDs)

Clemens Gadenstätter ist ein Komponist, der ausgesprochen „investigativ“ in die Bedingungen unseres Hörens und Musik-Verstehens eintaucht, was zumeist in umfangreichen Werkreihen geschieht. Die „Semantical Investigations“ liefern auch den Titel für diese umfangreiche Darstellung von Gadenstätters Programm, die „Geprägtheit“ des Materials per Dekontextualisierung aufzubrechen. Das kann eine Fahrradklingel ebenso provozieren wie eine expressive Violinenfigur oder eine Sekunde Peking Oper, nur codiert und „überverwendet“ muss es sein. Leider springt der Funke trotz hochrangiger Interpreten (Klangforum Wien, Ensemble Modern) nur selten wirklich über. Das mag daran liegen, dass Gadenstätters detailreiche Klangtransformations-Mosaike überbevölkert sind mit Versatzstücken, was einen ermüdenden Grad an struktureller Indifferenz und potentieller Willkür mit sich bringt, und oft erstaunlich energiebefreit klingt. Die Idee, neue Wahrnehmungsräume vermittels neuer Zusammenhangsbildungen oder gar neue Unmittelbarkeiten von Klang zu erzeugen, löst sich nur momenthaft ein. Am ehesten dann, wenn es turbulent wird, wie in den semantisch griffigeren „Iconosonics“. (Kairos, 3 CDs)

„Fall“ ist die aktuelle Veröffentlichung der Edition Musikfabrik überschrieben und der Absturz wird hier gleich mehrfach geprobt: Besonders prägnant in Brian Ferneyhoughs „La Chute d’Icare“ (1987/88), angeregt von Pieter Bruegels „Landschaft mit dem Sturz des Ikarus“. Das komplexe klangliche Figureninventar entspricht der Ereignisfülle von Bruegels Malerei; ein Paradestück für die Wendigkeit und Impulsivität von Carl Rosman. Auch Stephan Winklers „Von der Gewissensnot der Insekten“ (2012) verdankt sich außermusikalischen Anregungen in Gestalt von Eugen Egners Roman „Der Universums-Stulp“, Grundlage für Winklers gleichnamiges Musiktheater von 2014. Die beiden Sätze für 17 Instrumentalisten übertragen die Morphologie des Sprach-Klangs in musikalische Äquivalente, ein Kardinalthema von Winkler. Das Ergebnis ist aber nicht so interessant wie die verheißungsvollen Titel „Papst Probstenlochs Prälatengummi“ oder „Heftig tremolierende Nervenschläuche“ ankündigen. (Wergo)

Der norwegische Komponist Martin Rane Bauck (*1988) schreibt eine Musik, die sich in kleineren Kammermusikformaten auf wesentliche Ausdrucksmomente und prägnante Klangartikulationen konzentriert. Das ist alles andere als neu und eher untypisch für seine Generation, in seiner Ausformulierung aber konsequent und relativ plattitüdenfrei, hier sehr scharf ausformuliert von Heather Roche (Klarinette) und dem Ensemble neoN. In Zeiten (all)täglicher Reizüberflutung in Leben und Kunst lässt sich Derartiges inzwischen wieder sinnstiftender hören. (Lawo)

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!