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20-CD-Anthologie Rudolf Barschai
20-CD-Anthologie Rudolf Barschai
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Silberscheiben, die bleiben

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Tonträger-Bilanz 2016: Christoph Schlüren
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Der persönliche Jahresrückblick der nmz-Phonokritiker. Von Magalhães bis Barschai: Murray Perahia, Anton Batagov, Ketil Hvoslef, Einojuhani Rautavaara, Alexis Weissenberg, Rudolf Barschai.

Mit der brasilianischen Flötistin Raquele Magalhães und der Pianistin Sanja Bizjak tritt ein musikalisch wie technisch überragendes Duo auf den Plan. Neben Prokofieff, Schulhoff und Enescu gibt es eine fantastische Rarität: die Sonate des Amerikaners Robert Muczynski. Die beste Flötenplatte seit Jahrzehnten (Aparté).

Die zweite Folge der kompletten Kammermusik des Norwegers Ketil Hvoslef bei Lawo überschreitet spielerisch stringent alle Begrenzungen zeitgenössischer Musik. Sei es das Quartetto percussivo mit seiner rhythmisch-melodischen Obsession, wo Minimal Music, Art Rock-Elemente und eine Haydn’sche Überraschungsstrategie bis zur letzten Note fesseln, ein Flöten-Oktett oder Duodu für Geige und Bratsche, hier schafft es einer, die disparatesten Elemente zu korrelieren, und die Aufführungen sind brillant.

Wie stark Minimal Music sein kann, wenn ein wirklich großer Musiker sich ihrer annimmt, beweist Anton Batagov in seinen Klavierarrangements von Philip Glass’ „Koyanisquatsi“ und „Einstein on the Beach“ – alles ist mit vollendeter Konzentration und Feinheit durchgeformt („Prophecies“, Orange Mountain Music). Hinreißend und makellos agiert das russische Duo Aylen Pritchin (Violine) und Lukas Geniusas (Klavier) in spritzigen und nostalgischen Piècen Strawinskys, Tschaikowskys und Desyatnikovs (Melodiya).

Das überragende Klavieralbum hat Murray Perahia zum Jahresende mit Bachs Französischen Suiten zu seinem DG-Debüt eingespielt – vollkommen losgelöste, luzide, transzendente Kunst, alles singt, natürlicher kann Kontrapunkt nicht sein (Deutsche Grammophon). Eine charaktervolle CD mit Brahms (3. Sonate, Intermezzi op. 117) und Alban Bergs Sonate hat der begabte Franzose Vincent Larderet vorgelegt – zutiefst ernsthaft und strukturell klar (Ars Produktion).

Ein letztes Mal vor seinem Tode wurde Einojuhani Rautavaara mit einer Sammlung später Werke für Soli, Chor und Orchester geehrt. Unter der Leitung von John Storgårds blühen seine reich schillernden, komplex polyphonen Fakturen in hymnischem Glanz auf (Ondine). Und bei Lyrita ist die Chinesische Symphonie von Bernard van Dieren ersteingespielt worden, ein vokalsymphonisches Werk, das Busonis Vision einer jungen Klassizität in zauberhaftester Weise ein­löst (Lyrita).

Unter den historischen Perlen sei neben den gesamten RCA-Aufnahmen des unübertroffenen Alexis Weissenberg (Sony) vor allem eine 20-CD-Anthologie Rudolf Barschais hervorgehoben (ICA Classics). Hier begegnen wir nicht nur so überragenden Künstlern wie David Oistrach, Emil und Elisaveta Gilels, Leonid Kogan oder Dmitri Schostakowitsch (in seinem Klavierquintett), sondern erfahren in aller stilistischen Breite, welch wunderbarer Solist und exzellenter Kammerorches­ter-Leiter Barschai war. Höhepunkt ist für mich Mozarts Sinfonia concertante mit Oistrach und Barschai.

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