Der persönliche Jahresrückblick der nmz-Phonokritiker: Sammlerobjekte. Wieder ist ein Jahr vorüber und wieder sind einem zahllose CDs durch die Hände gegangen. Viel Gutes war dabei, aber auch erstaunlich viel Durchschnittliches. Nur selten Herausragendes, aber auch kaum wirklich Schlechtes. Und obwohl alle vom Streaming reden, setzt „die Klassik“ noch immer auf die Silberscheibe – als haptisches Repräsentationsobjekt für ein in weiten Teilen wertkonservatives Publikum, das nach dem eigenen Geschmack auch seine Sammlung haben möchte.
Es gibt aber auch Produktionen, die man sich kaum anders vorstellen kann, wie etwa das Doppelalbum „Concert Royal de la Nuit“ (harmonia mundi) nach einem Ballett von 1653. Etwas eher gelangte der Orfeo von Luigi Rossi in Paris auf die Bühne – noch immer eine Repertoire-Rarität, deren fulminante Aufführung und Inszenierung (Nancy, 2/2016) ich gerne auch in meinem Regal verfügbar hätte (derzeit aber nur bei www.youtube.com/watch?v=tKNNtiG3tes).
Von dort niemals hergegeben, wird die unaufgeregt spritzige und mit freien Voluntarys angereicherte Einspielung von Händel-Orgelkonzerten mit Holger Gehring und dem Barockorchester der Dresdner Kreuzkirche (Querstand), genausowenig wie die von Mozarts Gran Partita in der zeitgenössischen Schwencke-Fassung für Klavierquintett (Challenge).
Vollkommen abseitig ist die faszinierende Ausgrabung von Trauermärschen und Requiem-Vertonungen aus der Frühromantik für große Harmoniemusik (Musikmuseum) – so muss einst der liturgische Alltag geklungen haben.
Doch nicht nur am Rande fanden sich Preziosen. Da wäre zunächst die wundervolle Einspielung von Dvoráks unterschätztem Violinkonzert mit Christian Tetzlaff (Ondine), oder die beiden Schumann-Zyklen: zum einen mit den Sinfonien unter dem verständigen Heinz Holliger und dem WDR-Sinfonieorchester (audite), zum anderen die Kombination der Konzerte und Klaviertrios mit Melnikov, Faust und Queyras (harmonia mundi).
Viel zu selten steht noch immer die Musik von Francis Poulenc auf den Programmen; was sie wirklich zu sagen hat, das zeigt Louis Lortie mit den Klavierkonzerten auf ingeniöse Weise (Chandos). Zu den erstaunlichsten Aufnahmen der letzten Monate aber zählt die aufführungspraktisch wirklich zu Ende gedachte neoklassizistische Interpretation von Strawinskys Pulcinella Suite durch die Tapiola Sinfonietta unter dem Bach-Kantaten-Meister Masaaki Suzuki (Bis). Schließlich sind aus dem diesjährigen Boxen-Dschungel die Romantic Piano Concertos (Brillant) herauszuheben – in der Mehrheit eine Neuauflage der unverwüstlichen Vox-Aufnahmen aus den 70ern.