Musik von und mit: Joanna Wozny, Bernhard Gal, Oliver Korte, Sofia Gubaidulina, Phil Glass, sonic.art Saxophonquartett
Minimalismus einmal anders: Die oft ziemlich monotonen Klangstrickmuster von Phil Glass erwachen in der Interpretation durch das phänomenale sonic.art Saxophonquartett unerwartet zum Leben. In den beiden Quartetten des amerikanischen Minimalisten erscheint der kompakte Ensembleklang wie aus einem einzigen Atem geformt, und es entsteht eine geradezu magische Atmosphäre. Im Gegensatz dazu sind die „Songs for Tony“ des vitalen Michael Nyman, geschrieben zum Andenken an einen toten Freund, von einem intimen persönlichen Ausdruck getragen. Doch auch hier gilt: Eine bessere Interpretation ist kaum denkbar. (Genuin GEN 11222)
Wer meint, Sofia Gubaidulina sei „nur“ eine Ausdrucksmusikerin ohne konstruktivistische Ambitionen, wird bei ihrem Violinkonzert „The Lyre of Orpheus“ eines Besseren belehrt. Die verwendeten Intervalle ergeben Differenztöne im ganzzahligen Verhältnis 6:8:9:12 – in dieser Weise soll Orpheus laut Mythos die Saiten seiner Leier gestimmt und Raffael seine Bilder proportioniert haben. Die konzeptionellen Überlegungen stehen einer expressiven Dramatik nicht im Weg. Für eine packende Wiedergabe sorgen Gidon Kremer und die Kremerata Baltica. Das zweite große Werk auf der CD ist „The Canticle oft the Sun“, eine rituelle Anrufung der Sonne nach Worten des heiligen Franziskus für Chor, Instrumente und Kammerorchester. Nicolas Altstaedt führt darin das Solocello in ekstatische Höhen. (ECM 476 4662)
Wie klingt Quecksilber? Oliver Korte übersetzt in seinem Konzert für zwei Schlagzeuger und Orchester „Die Elemente“ das geheimnisvolle Wesen der toten Materie in ebenso geheimnisvolle, aber durchaus anschauliche Klangbilder. Der neugierige Blick hinter die Oberfläche der vertrauten Umgebung ist auch der Auslöser für die anderen Stücke. Aggregatszustände des Wassers, Frost-Bilder und Himmelsrichtungen werden gleichermaßen zu Inspirationsquellen. Die eigenwilligen Klangfantasien weiten sich im Ensemblestück „Epiphanie“ zur Raumklangkomposition. Dieses Stück ist auf einer beigelegten DVD auch in adäquatem Surround-Klang zu hören. (PHIL.06021)
Harte Kanten, Staub und Splitter charakterisieren das Spiegelbild, das Joanna Wozny in „as in a mirror, darkly“ entwirft. In „Return“ dialogisiert ein Saxofon, das mit explosiven Staccati und zarten Mehrklängen beeindruckt mit dem fragmentarisch zerlegten Ensembleklang, und in der Haiku-Vertonung „Kahles Astwerk“ suchen Vokal- und Instrumentalklang nach Berührungspunkten im Pianissimo. Auch wenn der Kompositionslehrer Beat Furrer noch oft hinter den nervös zerfaserten Kleinstrukturen hervorlugt, so ist in den Werken doch der Wille zu einer eigenen Ausdrucksweise spürbar. Bei der bloßen Materialbearbeitung scheint die Komponistin keinesfalls stehen bleiben zu wollen. (Kairos 0013192)
Der Klang von gestrichenen Weingläsern, chinesische und europäische Instrumente bilden das Ausgangsmaterial für eine komponierte Folge von elektroakustisch-instrumentalen Kompositionen von Bernhard Gal. Aus der Konzentration auf das Wenige entstehen reizvolle Interferenzen, minimale Klangfarbenveränderungen und Mikrotonglissandi, das nackte Material beginnt zu sprechen – Prozesse, die sich oft über eine lange Dauer erstrecken. Instrumentale Verschmelzungsprozesse und Klangimpressionen aus dem realen Leben öffnen neue Räume, und dazwischen spricht eine Frauenstimme chinesische Worte. Eine Reise in Zwischenreich von Klang und Stille, West und Ost. (Gromoga gro11001, www.gromoga.com)
Tiefer geht’s nicht: Das Kontra-Trio mit Madeleine Bischof, Kontrabass-Flöte, Thomas K. J. Mejer, Contrabass-Sax und Leo Bachmann, Tuba, steigt in den Klangkeller hinab und vollführt da seine mal wilden, mal geisterhaften und mal ruhigen, in jedem Fall aber düsteren Klangrituale. Die als Klanginstallation für einen runden Saal konzipierten „Jeux circulaires“ von Leo Bachmann wirken halb komponiert, halb improvisiert und hören sich auch im Stereoraum noch ziemlich füllig an. (betweenthelines BTLCHR71226)