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Das Fabrik Quartet war eine der Entdeckungen beim diesjährigen Stuttgarter Eclat-Festival.

Das Fabrik Quartet war eine der Entdeckungen beim diesjährigen Stuttgarter Eclat-Festival.

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Streichquartett-Kapelle

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Neue CDs neuer Musik, vorgestellt von Dirk Wieschollek
Vorspann / Teaser

Nicht gerade ein überbevölkerter Ort, den Georges Lentz sich für die Präsentation seiner gesammelten Streichquartettklänge ausgesucht hat +++ Das Fabrik Quartet war eine der Entdeckungen beim diesjährigen Stuttgarter Eclat-Festival. +++ Der österreichische Komponist Klaus Lang ist bekannt für raumgreifende Klang-Kontinuen mit spirituellem Background.

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Nicht gerade ein überbevölkerter Ort, den Georges Lentz sich für die Präsentation seiner gesammelten Streichquartettklänge ausgesucht hat: ein ehemaliger Wassertank irgendwo im Nirgendwo des australischen Outback. In Zusammenarbeit mit dem Architekten Glenn Murcutt und der indigenen Künstlerin Sharron Ohlsen wurde die rostige Ruine aus der Zeit des Kupferbergbaus zur „Cobar Sound Chapel“. Dort laufen Lentz’ „String Quartet(s)“ (2000–23) Tag und Nacht in 43-stündiger Dauerschleife, bevor die Klänge des solarbetriebenen Vierkanal-Lautsprechersystems wieder von vorne beginnen. Sie sind das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Streichquartett „The Noise“ aus Sydney: notierte und improvisierte Fragmente, die im Laufe von 20 Jahren konserviert wurden. Insofern öffnet diese Veröffentlichung nur ein kleines Zeitfenster, das allerdings in zirka 70 Minuten eine ganz eigene Dramaturgie entwickelt. Die beinhaltet in elektronischen Manipulationen und Erweiterungen des gewöhnlichen Streicherklanges Momente geräuschträchtiger Expressivität ebenso wie Passagen kontemplativer Abstraktion. Gute Idee, dass die akustischen Oberflächen all der über die Jahre mit den verschiedensten Speichermedien aufgezeichneten Versatzstücke nicht digital begradigt, sondern mitsamt ihren Fehlern und Defiziten Teil der Installation wurden. (Kairos)

Das Fabrik Quartet war eine der Entdeckungen beim diesjährigen Stuttgarter Eclat-Festival. Die 2022 aus der Talentschmiede der Ensemble Modern Akademie hervorgegangene Formation geht keine faulen Kompromisse ein, auch nicht auf ihrem CD-Debüt: Vieles, was zeitgenössisches Streichquartett-Spiel ausmacht, findet sich von Federico Ceppetelli (Violine), Adam Woodward (Violine), Jacobo Diaz Robledillo (Viola) und Elene Cappelleti (Violoncello) zwischen den Eckpfeilern polyphoner Interaktion und subtil aufgefächerter Homophonie beeindruckend intensiv ausgereizt. 

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Das Fabrik Quartet war eine der Entdeckungen beim diesjährigen Stuttgarter Eclat-Festival.

Das Fabrik Quartet war eine der Entdeckungen beim diesjährigen Stuttgarter Eclat-Festival.

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Luciano Berios „Sincronie“ (1964) zieht als eine der bedeutendsten Quartettkompositionen der klassischen Avantgarde alle Register avancierter Klangmöglichkeiten und versteht das Quartett als Hyperinstrument, wo alle Stimmen feinnervig an einem Strang ziehen. Völlig dem Furor hingegeben ist das frühe 2. Streichquartett op. 10 (1970) von Wolfgang Rihm, dessen Zügellosigkeit Fabrik mit elektrisierender Hingabe in Gang bringt. Auch die geräuschhafte Physis von Rebecca Saunders’ „Fletch“ (2012) wird bis ins kleinste Detail ausgekostet. Das brandaktuelle Quartett „Més enllà de la quarta dimensió“ (2023) von José Luis Escrivá Cordoba beinhaltet ebenfalls eine nervöse Fülle an Gesten und Artikulationen, die dankbar angenommen wird. Arditti-, Jack- und Diotima-Quartett bekommen hier ernsthafte Konkurrenz! (Bad Homburger Meisterkurs)

Der österreichische Komponist Klaus Lang ist bekannt für raumgreifende Klang-Kontinuen mit spirituellem Background. Auch „tönendes licht“ für Orgel und im Raum verteiltes Orchester (2020) macht da keine Ausnahme und badet eine knappe Stunde in einer ‚Fülle des Wohllauts‘. Raum heißt hier Kirchenraum, genauer der Wiener Stephansdom, mit dessen opulenter Riesenorgel das Auftragswerk von Wien Modern eingespielt wurde, um in einen andächtigen Dialog mit der gotischen Architektur zu treten. Das erklärt die Zurückhaltung, die Lang hier im Dienste göttlicher Lichtevokation walten lässt. Oft ist die Orgel kaum aus dem Orchesterklang herauszuhören, nur manchmal kräuseln sich Figuren aus dem fluoreszierenden Instrumentalgewebe heraus, das sich in superzeitlupenhaften Veränderungen und wechselnder Lichtintensität durch den Sakralraum bewegt. Der Hinweis im Booklet, dass Langs Musik stets nur Klang an sich ist und keine außermusikalischen Bedeutungen transportiert, wirkt geradezu komisch angesichts der seitenlangen Erörterungen des Komponisten zum sinnlich-spirituellen Wesen der Gotik und dessen kompositorischer Adaption. Licht heißt in diesem Fall eben immer auch „göttliches Licht“ und in der gülden schimmernden Diatonik des Orchesters klingt alles nach Magie, Alleinheit und Transzendenz. (Kairos)

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