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das zornig aufbegehrende, gewaltige Requiem von Arnold Rosner (Toccata Classics)
das zornig aufbegehrende, gewaltige Requiem von Arnold Rosner (Toccata Classics)
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Tonträger-Bilanz 2020 von Christoph Schlüren

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Der persönliche Jahresrückblick der nmz-Phonokritiker
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Die schönsten Reize des Alten und des Neuen – Wagemutige Unternehmen. Coronazeit ist Neubeginn, und wir werden noch einmal mit den schönsten Reizen des Alten geflutet.

Ich denke an den wunderbar poetischen Film auf den Spuren von Arturo Benedetti Michelangeli, den der unlängst zu früh verstorbene Syrthos Dreher geradezu als Lebensprojekt verfolgte (C Major). An die überwältigende Box mit den ganzen EMI-Aufnahmen von Sir John Barbirolli (109 CDs, Warner Classics). An Hans Rosbauds unübertrefflich gezeichnete Mahler-Symphonien (SWR Classic), an großartige Zyklen der Beethoven-Quartette mit dem Smetana Quartett (Supraphon) und dem Juilliard String Quartet (Sony Classical).

Aber auch Unbekanntes wurde der Vergangenheit entrissen: der schwäbisch-stämmige Georgier Rudolf Kehrer (1923-2013) war einer der großen Pianisten der Sowjetunion und wird mit der ganzen Breite seines Repertoires präsentiert, darunter auch herrliche Raritäten von Georgy Sviridov (5 CDs, Doremi).

Die große Bratschistin Rivka Golani hat sich 2018 nochmal ins Studio begeben und ein nostalgisch berührendes Recital-Album eingespielt, mit viel Kreisler und Elgar, aus dem innige Wärme und Zartheit zum Hörer sprechen (2 CDs, Hungaroton).

Und unbedingt muss das wagemutige Unternehmen des italienischen Tonmeisters und Violinpapsts Emilio Pessina genannt werden, der seine Anthologien bei Rhine Classics in Taiwan herausgibt. Da sind ganz neu umfassende Schatzkisten erschienen von Gabriella Lengyel, der letzten Schülerin Hubays, überwiegend mit ihrem Bruder, dem vorzüglichen Pianisten Atty Lengyel, von wunderbarem Schubert und Mendelssohn zu Entlegenem vor allem ungarischer Meister wie Harsányi, Veress oder Arma; fast nur Live-Aufnahmen von Jean Ter-Merguerian, in den Augen von Kollegen wie Rostropowitsch, Szeryng, Francescatti und Ferras einer der großartigsten Geiger überhaupt (einen schöneren, edleren Ton gibt es nicht!), ganz groß in Beethoven, Brahms und Khachaturian; späte Konzertmitschnitte (1996–98) des Meisterpianisten Sergio Fiorentino aus den USA, darunter auch hinreißend musizierte Kammermusik wie Francks Quintett oder Beet­hovens Quintett mit Bläsern; und vom legendären Pietro Scarpini zu Hause gemachte Aufnahmen des kompletten Wohltemperierten Klaviers und der Kunst der Fuge in kristalliner Klarheit (alles bei Rhine Classics, erstaunlich preiswert direkt von der Website zu beziehen).

Darüber hätte ich fast das Neue vergessen. Eine Auswahl: das Navarra String Quartet mit dem fantastischen Konzeptalbum „Love and Death“ und Katherine Hunka mit unwiderstehlich charakterisiertem Piazzolla/Desyatnikov (Four Seasons) und Schubert (beides bei Orchid Classics); Martin Helmchen mit Beethoven-Konzerten in einer musikalischen Liga, von der andere nur träumen können (Alpha Classics); Jakub Hrusa mit dem BR-Symphonieorchester in einer phänomenal gestalteten Asrael-Symphonie von Josef Suk (BR Klassik); Mari Kodama mit „Kaleidoscope“ in subtilst erfassten Beethoven-Transkriptionen (Pentatone); das zornig aufbegehrende, gewaltige Requiem von Arnold Rosner (Toccata Classics); und vieles von BIS, Naxos, Chandos, Mirare, cpo und anderen wäre noch zu nennen.

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