Die schönsten Reize des Alten und des Neuen – An den Repertoirerändern. Von Corona nichts zu spüren. Aus den Presswerken rollt noch fleißig viel, oft zu viel Beethoven. Nicht selten stellt sich dann die Frage: Muss es sein? Doch anders als bei Ludwig lautet die Antwort: Nein, nein, nein. Die wirklichen Highlights lagen für mich in ganz anderen Bereichen des Repertoires, nämlich an den Rändern.
Dort ist es zunächst Gottlieb Wallisch, der in zwei Folgen (mehr steht noch zu erwarten) Foxtrott, Shimmy und Blues der 1920er Jahre wieder auferstehen lässt – nicht die schmissigen Tanzschlager, sondern das „veredelte“ Notat von Krenek, Hába, Wilhelm Grosz, Gieseking und Leopold Mittmann, manches aus dem Manuskript, vieles in Ersteinspielung (Grand Piano).
Gewichtiger geht es bei Jenny Lin zu, deren Gesamteinpielung der Klavierwerke des Komponisten Artur Schnabel eine Lücke schließt (Steinway), so wie sich Judith Ingolfsson der beiden gewichtigen Solo-Violinsonaten von Schnabel (1919) und Eduard Erdmann (1921) angenommen hat – auch ohne ausdrückliches Jubeljahr (Genuin).
Das gilt auch für Eugène Ysaÿe, dem eine hervorragend kuratierte Box gewidmet ist. Sie stellt gleichermaßen den Komponisten wie den Violinvirtuosen in den Mittelpunkt und vereint Sätze und Werke quer durch Gattungen und Besetzungen. In der Tat öffnet sich unter dem Titel „A Tribute to Ysaÿe“ eine kleine Schatzkiste (fuga libera).
Eine ähnliche Faszination geht von dem Doppelalbum Les musiques de Picasso aus – das man auf den ersten Blick für einen leichtgängigen Mix andalusisch-impressionistischer Nummern halten mag, das aber die aktuelle gleichnamige Ausstellung im Pariser Musée de la musique als klingender Katalog bestens begleitet (Harmonia Mundi).
Darüber hinaus gibt es einzelne CDs, die so schnell nicht den Platz am Player verlassen werden. Dazu zählen die Tartini-Concerti mit Chouchane Siranossian (Alpha), wie auch das fulminante Trio Goldberg (Ars), das auf dem einmal erreichten Niveau nun auch nachlegen muss.
Kontinuierlich zu verfolgen lohnt sich darüber hinaus die Einspielung der Complete Piano Sonatas von Johann Ladislaus Dussek auf historischen Instrumenten. Es ist eine der seltenen erstklassigen Produktionen von Brilliant Classics – einem Label, das mit seinem Katalog auch in die dunklen Ecken geht, diese aber oft nicht recht auszuleuchten vermag und sich damit leichtfertig um Erfolg und Renommee bringt.
Schließlich: Nach Beethoven klopft nun schon auf lange Sicht Schubert200 an die Tür, jedenfalls beim Alinde Quartett mit der interessanten ersten Folge einer neuen Gesamteinspielung der Streichquartette (Hänssler).