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Antoine Reicha: Reicha Rediscovered Vol. 2. Études dans le genre fugué op. 97, 1–13. Ivan Ilic, Klavier. Chandos
Antoine Reicha: Reicha Rediscovered Vol. 2. Études dans le genre fugué op. 97, 1–13. Ivan Ilic, Klavier. Chandos
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unüberhörbar 2020/04

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Cyrillus Kreek | Antoine Reicha | Ludwig van Beethoven
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Cyrillus Kreek: The Suspended Harp of Babel. Vox Clamantis, Jaan-Eik Tulve. ECM +++ Antoine Reicha: Reicha Rediscovered Vol. 2. Études dans le genre fugué op. 97, 1–13. Ivan Ilic, Klavier. Chandos. +++ Ludwig van Beethoven: Sinfonien 5 & 7; NDR Radiophilharmonie, Andrew Manze. Pentatone

Cyrillus Kreek: The Suspended Harp of Babel. Vox Clamantis, Jaan-Eik Tulve. ECM

Den Regionen von grünlich schimmerndem Nordlicht wird eine mythische, mystisch gar anmutende Aura  nicht nur angedichtet. Geographisch bedingt und evolutionsgeschichtlich so geworden. Im Kontrast zur neuen Musik Mitteleuropas, die sehr intellektuell und durchaus extrovertiert Verknüpfungen zu archaischen Quellen eher vermeidet und immer noch egomanisch und sehr lautstark das Tagesaktuelle auch der Politik in ihre Partituren einarbeitet, pflegen Komponisten des Baltikums eher den introvertierten Duktus mit spirituellen Bezügen – wie der estnische Tonsetzer Cyrillus Kreek (1889–1962). ECM legt eine wunderbar kontemplative und tief schürfende klingende Auslotung (auch) der Beziehungen zur Volksmusik der Region vor – aufgenommen in der Transfiguration Church Tallinn. [Wolf Loeckle]

Antoine Reicha: Reicha Rediscovered Vol. 2. Études dans le genre fugué op. 97, 1–13. Ivan Ilic, Klavier. Chandos.

Leider wurde ob der Vorbereitungen auf das Beethovenjahr glatt übersehen, dass dessen Jugendfreund Reicha heuer ebenfalls 250. Geburtstag begeht, und zwar bereits am 26. Februar. Noch am ehesten bekannt für seine hochwertigen Bläserquintette, rückt Reichas umfangreiches Klavierwerk erst zögerlich in den Fokus. Nach musikalischer Qualität, pianistischer Kompetenz und schierem Wohlklang zu urteilen, stammt das bislang gelungenste Plädoyer dafür von dem aus Serbien stammenden Amerikaner Ivan Ilic. Die jeweils knapp fünfminütigen Stücke aus den Jahren 1815–17 feiern das eigentlich seit Generationen obsolete Fugengenre ebenso wie sie die Etüde Jahrzehnte vor Chopin zur hohen Kunst veredeln. Zweiteilig wie J. S. Bachs Präludien und Fugen angelegt, bilden die Etüden in ihrer Abfolge ein zwar apollinisches, aber jederzeit zugängliches Kompendium des kontrapunktischen Komponierens in der Spätphase der klassischen Epoche. Es bleibt nur zu hoffen, dass Ilic den ausstehenden Rest des op. 97 nachliefert. [Mátyás Kiss]

Ludwig van Beethoven: Sinfonien 5 & 7; NDR Radiophilharmonie, Andrew Manze. Pentatone

Mit seinen sorgfältigst elaborierten künstlerischen Projektionsflächen widersetzt sich Andrew Manze allen spekulativen Wirkungserwartungen von außen. Sein Tonträger-Repertoire, traditionalistisch fundiert, aber auch mit Ausnahmen durchsetzt, kann sich kaum auf verlässlichen Konsumenten-Rückhalt stützen. So hat sich der in barocken Musikfeldern gereifte früher aktive Geiger mit eigener Haltung Beethovens Sinfonien 5 und 7 ausgesetzt. Sie bedeuten, mit ihrer scharfen programm-psychologischen Belegung und den entsprechenden interpretationsgeschichtlichen Ablagerungen, vielen heutigen Interpreten vielleicht die am schwersten zu bewältigenden in Beethovens Neunergruppe. Manze trägt sie mit dem NDR Orchester Hannover ohne den leisesten Hauch von Pathos vor: ausdrucksstark in jeder Wendung, hochdifferenziert, dabei durchgehend klanglich schlank und mit ansteckender Spielfreude ausgestattet. Er kann das leisten, weil er sich nicht selbstbezogen in den Vordergrund rückt, nicht das Reproduktionsbild der Musik schwächt. Im Vertrauen auf bestes akademisches Kapellmeister-Ethos macht er Musik – überzeugend einfach und selbstverständlich. Das überwältigt auf eigene Weise. [Hanspeter Krellmann]

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