Joseph Anton Steffan: Harpsichord Sonatas – Mitzi Meyerson +++ Albert Roussel: Le Testament de la Tante Caroline – Orchestre des Frivolités Parisiennes +++ Dmitri Schostakowitsch: Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester op. 35, Symphonie Nr. 9 – Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Mariss Jansons
Joseph Anton Steffan: Harpsichord Sonatas. Mitzi Meyerson. Glossa
Manchmal können allein Zeit und Ort der Geburt einen Komponisten an den Rand der Vergessenheit befördern – der seinerzeit am Wiener Hof höchste Wertschätzung genießende Steffan kam 1726 in einem böhmischen Dorf zur Welt. Die einzigen, die in jener Generation zwischen Spätbarock und Hochklassik anerkannte Tastenwerke hervorbrachten, waren jedoch Bach-Söhne und -Schüler, französische Clavecinisten oder der Spanier Soler. Offenbar bereits für das neuartige, aber noch unausgereifte Fortepiano vorgesehen, klingen Steffans um 1760 entstandene Sonaten auf einem hochwertigen Cembalo (hier dem modernen Nachbau eines franko-flämischen Vorbildes) einfach viel besser – erst recht, wenn die temperamentvolle Raritätenspezialistin Mitzi Meyerson am Werk ist. Die randvoll bespielte CD glänzt durch vorbildliche Tontechnik, ein wunderschönes Cover und persönlich gehaltene Werknotizen von Frau Meyerson. / Mátyás Kiss
Albert Roussel: Le Testament de la Tante Caroline. Marie Lenormand, Marion Gomar, Lucile Komites u.a. Orchestre des Frivolités Parisiennes, Dylan Corlay.
Diese unerwartete Ersteinspielung eines Spätwerks des großen französischen Symphonikers Albert Roussel bringt seinen einzigen dezidierten Beitrag zur ‚leichten Muse‘: die Operette „Le Testament de la Tante Caroline“, eher eine fulminante Opéra comique, 1960 posthum zur einaktigen Fassung zurechtgeschneidert vom unvergesslichen Marcel Mihalovici. Der Plot ist pfiffig, die Musik unverkennbarer Roussel vom amüsantesten Schlag, das Werk ein potenzielles Repertoirestück auch für deutsche Bühnen – woran die vorzügliche Aufführung durch die „Frivolités Parisiennes“ unter Dylan Corlay mit ausgezeichneten Solisten entscheidenden Anteil hat. So habe ich mir immer die kreative Anknüpfung an „Le Nozze di Figaro“ vorgestellt. Hinreißend. / Christoph Schlüren
Dmitri Schostakowitsch: Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester op. 35, Symphonie Nr. 9. Yefim Bronfman, Klavier; Hannes Läubin, Trompete. Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Mariss Jansons, BR Klassik
Schostakowitschs Konzert op. 35 ist ein ebenso fantasievolles wie satirisches und zugleich von der Improvisation her ins kompositorisch gefestigte Terrain verweisendes Werk voller Witz. Zugleich zelebriert es den Abschied von jugendlicher Heiterkeit, Frechheit und Entspanntheit auf dem Weg in die harten Zwänge sowjetischer (Kultur)-Politikabhängigkeit. Ein wundervoller Abschied am Beginn fürchterlicher Zeiten. Wie sie aktuell düstere Schatten voraus werfen könnten. All diesen Witz, all die Ironie, all das intelligente Verknüpfen und Einweben der verschachtelten Zitate zwischen Mahlers Neunter und Beethovens Wut über den verlorenen Groschen bringen Yefim Bronfman, Hannes Läubin und das BRSO unter Mariss Jansons auf wundersame Weise ins volle Erklingen. / Wolf Loeckle