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unüberhörbar 2024/06

Untertitel
Walter Kaufmann: Orchestral Works / Franz Schmidt und Josef Labor / Brad Mehldau
Vorspann / Teaser

Walter Kaufmann: Orchestral Works, Vol. I. +++ Franz Schmidt: Quintett in B-Dur; Josef Labor: Trio Nr. 2 in G-Moll. Folke Nauta, Klavier; Lars Wouters van den Oudenweijer, Klarinette; Prisma String Trio +++ Brad Mehldau: After Bach II / Après Fauré.

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1

Walter Kaufmann: Orchestral Works, Vol. I. Elisaveta Blumina, Radio-Symphonie-Orchester Berlin, David Robert Coleman. CPO

Neben John Foulds der bedeutendste Pionier in der Verschmelzung indischer und westlicher klassischer Musik war der aus Karlsbad stammende Jude Walter Kaufmann (1907–1984), Schüler von Franz Schreker und Curt Sachs, ab 1934 im Exil in Bombay, wo er Musikdirektor von All India Radio wird, nach dem II. Weltkrieg Chefdirigent in Halifax, dann als Professor in Bloomington Verfasser der Standard-Lehrbücher über nord- und südindische Ragas. Nach zwei Streichquartetten (bei Chandos) sind nun erstmals Orchesterwerke von ihm verfügbar, transparent eingespielt vom RSO Berlin unter David Robert Coleman. Die Parallelen zu Foulds sind erstaunlich, der Charakter dieser hellen, leichtflüssig modalen, rhythmisch groovigen Musik ist melodiös und entspannt. Neben der 3. Symphonie (1936), der Indian Symphony (1943) und den feinnervigen Indian Miniatures (1965) gibt es das eingängige 3. Klavierkonzert (1950), seriös vorgetragen von Elisaveta Blumina. Eine Schatztruhe wertvoller Musik in bewusst schlichter Faktur, wie ein lichtes Gegengift zum dystopischen Mainstream der Epoche. [Christoph Schlüren]

2

Franz Schmidt: Quintett in B-Dur; Josef Labor: Trio Nr. 2 in G-Moll. Folke Nauta, Klavier; Lars Wouters van den Oudenweijer, Klarinette; Prisma String Trio. Cobra Records

Unter dem Reihentitel „Left Hand Legacy – Chamber music written for Paul Wittgenstein“ erschien soeben die zweite Folge, die nun zugleich die letzte mit dem kürzlich überraschend verstorbenen Pianisten Folke Nauta geworden ist. Diese Serie, in der die zahlreichen Werke, die der kriegsversehrte, aber schwerreiche Wittgenstein bei Franz Schmidt und Josef Labor bestellt hat, den Repertoireschwerpunkt bilden, entsteht zeitgleich mit der verdienstvollen Josef-Labor-Reihe, welche Oliver Triendl für Capriccio verantwortet. Obwohl zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg komponiert, ist den lange unzugänglichen Trouvaillen gemeinsam, dass sie nicht bloß die Beschränkung auf die linke Hand des Pianisten raffiniert vergessen machen, sondern auch höchsten künstlerischen Ansprüchen genügen, dabei aber stets den ästhetischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts verhaftet bleiben. Heute dürfen wir endlich ganz ohne schlechtes ästhetisches Gewissen den wunderbaren spätromantischen Klängen Schmidts und Labors lauschen, zumal die einfühlsamen Interpretationen aus den Niederlanden keine Wünsche offenlassen. [Mátyás Kiss]

3

Brad Mehldau: After Bach II / Après Fauré. Nonesuch (2 separate CDs)

Als er vom Verbier Festival eingeladen wurde, Bachs Goldberg-Variationen zusammen mit Weltklasse­pianisten wie Daniil Trifonov, Evgeny Kissin oder Yuja Wang aufzuführen, bekam selbst der klassikaffine Brad Mehldau Bedenken. Er schlug vor, statt eine der Variationen zu übernehmen eine Improvisation beizusteuern. Diese Idee hat er nun glücklicherweise auf seinem zweiten „After Bach“-Album fortgesponnen. Das Ergebnis ist atemberaubend: Von einer zarten Anverwandlung der Aria ausgehend („Aria-like“) reflektiert er in sechs eigenen Variationen, von denen nur die fünfte wirklich „jazzig“ ist, über Bachs Thema. Dass Mehldau mit seiner aberwitzig unabhängigen linken Hand ein Kontrapunktiker ist, der sich Bach auf ganz eigene Weise zu nähern versteht, ist seit seiner ersten „After Bach“-CD bekannt. Dass er aber auch eine echte Affinität zu Gabriel Fauré hat, ist die schöne Erkenntnis seines nun gleichzeitig mit „After Bach II“ veröffentlichten Albums „Après Fauré“. Dem titelgebenden Schlager „Après un rêve“ geht Mehldau dabei klug aus dem Weg, beleuchtet lieber vier Nocturnes sowie einen Auszug aus dem g-Moll-Klavierquartett. Die Qualität seines „klassischen“ Spiels ist bewundernswert, faszinierend sind aber vor allem seine vier eigenen Reflexionen über Faurés Musik, zu der er außerdem im Booklet einiges zu sagen hat. [Juan Martin Koch]

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