Donald Fagen – Sunken Condos (Warner, 12.10.12) +++ Sea + Air – My Heart’s Sick Chords (RAR/Motor Entertainment, 12.10.12) +++ Klaus Hoffmann – Berliner Sonntag (stille Music, 05.10.2012) +++ Ich kann fliegen – Ich kann fliegen (Universal, 14.09.12)
Donald Fagen, maßgebender Tonchef bei Steely Dan, verblüfft mit seinem vierten Soloalbum „Sunken Condos“. Nicht überraschend, könnte man meinen. Aber doch sicher. Das ist es. Der Mann könnte nämlich eigentlich allein mit seiner Routine und Weisheit ein lockeres Album aus dem Ärmel stampfen. Und grinsend davon schleichen. Macht er aber nicht. Donald Fagen setzt sich hin. Ans Piano. Und dann lässt er sein Herz sprechen und bluten. Erzählt uns eine Liebesgeschichte, deren famoser Rahmen ein relaxtes Jazz-Keyboard und eine saucoole Stimme bilden. Ab und an wird das von Steely-Dan-Bandmitgliedern begleitet, ohne „Sunken Condos“ aus dem Solorahmen zu rücken. Hörhinweis: alles.
Sea + Air sind das Stuttgarter Ehepaar Eleni (Gesang, Cembalo, Bass, Schlagzeug) und Daniel Benjamin (Gesang, Gitarre, Schlagzeug). Eine jahrelange Musikerkarriere tragen sie auf beiden Buckeln. „My Heart’s Sick Chords“, das aktuelle Album, lässt das spüren. Denn deutlich wird: Hier sind Typen am Werk. Typen mit Meinung, Freigeist und einem „LMAA“-Gefühl. Die machen, was sie wollen. Dann klingt ihre Interpretation von Indie-Pop zuweilen kantig, unschubladig oder kurzzeitig verwirrend. Störend ist das nicht. Zumal die Gesangsharmonien bei aller Lakonie immer wieder den rettenden Boden berühren. Freilich mag das sperrig sein. In vielen Momenten, in denen sie ihre Songs wie Knochen vor den Hörer werfen. Der kann und sollte dann unbedingt seine Zähnchen spitzen und das Zahnfleisch massieren. Denn nach einem langen Zugangsweg wird „My Heart’s Sick Chords“ ein ganz übersichtliches Album, das stimmlich, musikalisch und konzeptionell überzeugt. Hörhinweis: „You & I“, „Like a Spy On the Roof“, „Mercy Street“.
Klaus Hoffmann muss man nicht vorstellen. Sein neues Album „Berliner Sonntag“ dagegen sehr wohl. Fünfzehn Songs, die so ungreifbar sind, die so guttun, weil sie eben sonst keiner macht. Grenzen kannte er nie. Jazz, Bossa, Chansons oder mal was Flottes aus den 1970er-Jahren. Hoffmann kann das alles. Musikalisch unterstützt von den Münchner Philharmonikern, Till Brönner, Reinhard Mey oder seinen langjährigen Livemusikern. Glänzend auch die Texte. Geschichten, die er beobachtet. Die uns nicht auffallen. Und die er uns erzählt. Süffisant, erinnernd, mahnend oder gar auffordernd. Hörhinweis: alles.
Bandnamen gibt es, da ist ein Griff an die Birne schon mal gerechtfertigt. Ich Kann Fliegen nennt sich eine Band aus Niedersachsen. Und weil das an sich noch nicht reicht, darf das Album zur Überraschung aller genau so heißen: „Ich Kann Fliegen“. Da flattert uns die Innovations-Hose. Zur Musik. Da sind Ich Kann Fliegen nicht minder einfallsloser. Deutsche Texte treffen eine Rock-Pop-Mischung, die nach Eigenständigkeit klingen mag, aber bitte schön im Radio gespielt werden soll. Ein Balance-Akt, an dem viele scheitern. Klar. Die Songs sind ordentlich geschrieben und amtlich produziert. Leider aber auch ohne echte Höhepunkte. Alles schippert auf den Refrain zu, der dann im Bombast verweilt, einprägsam formuliert wurde, aber im Pop-Matsch ertränkt wird. Ob da ein zweites Album kommen wird? Spielt euch den Arsch in Klubs ab. Dann weiterschauen. Hörhinweis: irgendwie schon alles.
Diskographie
- Donald Fagen – Sunken Condos (Warner, 12.10.12)
- Sea + Air – My Heart’s Sick Chords (RAR/Motor Entertainment, 12.10.12)
- Klaus Hoffmann – Berliner Sonntag (stille Music, 05.10.2012)
- Ich kann fliegen – Ich kann fliegen (Universal, 14.09.12)