Doch von der Verschiedenartigkeit und der Vielzahl der nach 1945 in der DDR entstandenen Werke konnten am ehesten Rundfunksendungen oder – sofern zugänglich – die der zeitgenössischen Musik gewidmeten speziellen DDR-Schallplattenreihen „unsere neue musik“ in den 60er-Jahren mit 50 LPs und zwischen 1970/90 NOVA mit rund 250 LPs (allein von Hanns Eisler etwa 40 und von Paul Dessau etwa 20) zeugen. Insgesamt umfasst diese Reihe Komponisten mehrerer Generationen, angefangen mit Max Butting (1888–1977) und Fidelio F. Finke (1891–1968) bis Friedrich Goldmann (Jg. 1941), Friedrich Schenker (Jg. 1943) und einzelnen Werken nach 1950 Geborener.
Gewiss sind vor dem Fall der Mauer schon manche Werke ostdeutscher Komponisten in der alten Bundesrepublik aufgeführt worden. Außer Hanns Eisler, Paul Dessau, Rudolf Wagner-Regeny gewannen vor allem einige zwischen 1925 und 1945 geborene Künstler wie Reiner Bredemeyer, Paul-Heinz Dittrich, Siegfried Matthus, Georg Katzer, Friedrich Goldmann, Friedrich Schenker jenseits des Eisernen Vorhangs Aufmerksamkeit. Doch von der Verschiedenartigkeit und der Vielzahl der nach 1945 in der DDR entstandenen Werke konnten am ehesten Rundfunksendungen oder – sofern zugänglich – die der zeitgenössischen Musik gewidmeten speziellen DDR-Schallplattenreihen „unsere neue musik“ in den 60er-Jahren mit 50 LPs und zwischen 1970/90 NOVA mit rund 250 LPs (allein von Hanns Eisler etwa 40 und von Paul Dessau etwa 20) zeugen. Insgesamt umfasst diese Reihe Komponisten mehrerer Generationen, angefangen mit Max Butting (1888–1977) und Fidelio F. Finke (1891–1968) bis Friedrich Goldmann (Jg. 1941), Friedrich Schenker (Jg. 1943) und einzelnen Werken nach 1950 Geborener.class="bild">
Während Berlin Classics als jetziger Inhaber von Deutsche Schallplatten Berlin aus dem Fundus des Labels NOVA für CDs nach Belieben (und Verkaufschancen) auswählen kann, hat sich ein musikbegeisterter Arzt aus Bremen ins Deutsche Rundfunkarchiv begeben, um zumal in den alten Bundesländern kaum Bekanntes herauszufinden. Inzwischen ist die Reihe „zeitgenossen ost“ von Hastedt Verlag & Musikedition Bremen auf 17 CDs angewachsen.
Bei der Auswahl ging Wolfgang Smitmans unbefangen von beiderseitig konträren ideologischen und musikästhetischen Dogmen vor und wählte Kompositionen aus, die einen Einblick in die durchaus verschiedenartigen und auch widersprüchlichen Tendenzen der Musikentwicklung in der DDR geben. Es sind fast ausnahmslos Werke, die für das alltägliche Konzertleben geschrieben wurden und sich an eine breite, aber dem Neuen aufgeschlossene Hörerschar wenden. Dabei setzte er die Bekanntheit von Hanns Eisler und Paul Dessau voraus.
Für die älteste Generation stehen Ottmar Gerster (1897–1969) und Rudolf Wagner-Regeny (1903–69). Gersters „Festouvertüre 1948“ mit sinfonisch verarbeiteten Arbeiterliedthemen und die Kantate „Eisenkombinat Ost“ (1951) zeugen in ihrer Buntheit vom Aufbauelan, von Hoffnungen und Illusionen jener ersten Nachkriegsjahre. In beiden Werken nutzte der Komponist Gestaltungselemente seiner während des Zweiten Weltkriegs verbotenen Oper „Die Hexe von Passau“, seiner vor 1933 für Arbeiterchöre im Ruhrgebiet geschaffenen Kantaten und den Tonfall neuer „Aufbaulieder“. Dass Gerster trotz der Anfang der 50er-Jahre in der DDR teils hitzig geführten Debatten um Formalismus und Realismus in der Musik seinen eigenen Weg weiterging, erweist das 1955 bearbeitete musikantische Klavierkonzert in A von 1931 in seiner Nachbarschaft zu Paul Hindemith.
Eher im Gegensatz zu den erwähnten Debatten und der damit verbundenen Aufforderung, neue gegenwärtige Texte zu vertonen, schrieb Rudolf Wagner-Regeny 1955/56 nach der Vulgata seine Kantate „Genesis“. Der lateinische Schöpfungstext wird mit sparsam gehandhabten Mitteln in klarer Diktion vorgetragen. Wie hier bevorzugt der Komponist auch in den Kantaten „Schir Haschiri“ nach dem Hohelied Salomos (1963/64) und „An die Sonne“ nach Ingeborg Bachmann (1967/68) die leisen, zarten Töne und setzt Mitdenken voraus, ohne Emotionales auszuschließen. Selbst für ostdeutsche Musikhörer halten die beiden Klavierkonzerte (1964, 1987) und das Violinkonzert (1979) des in Berlin lebenden Kurt Schwaen (Jg. 1909) Überraschungen bereit. Denn im Unterschied zu seinen Schulopern und vielen an Musikschulen oft gespielten, knapp geformten Stücken werden hier größere Entwicklungen spannungsvoll mit einer Konzentration gestaltet, die an Strawinsky denken lässt. Der vor allem in Leipzig tätig gewesene Fritz Geißler (1921–84) ließ mit der nach Studien in Leipzig (1948/50 unter anderem bei Wilhelm Weisman) und Berlin-Charlottenburg (1951/53 unter anderem bei Boris Blacher) 1955 uraufgeführten „Kammersinfonie 1954“ aufhorchen. Sie kombiniert freizügig Elemente der Dodekaphonie mit der Klangwelt Bartóks. Geißlers Bestreben „einer echten Synthese von Überliefertem und Neuem“ kommt nach seiner zweiten Sinfonie noch ausgeprägter in der hier ausgewählten, 1965/66 entstandenen dritten zur Geltung. Thematische und klangliche Gegensätze von freundlicher Lyrik bis zu katastrophischer Tragik prallen aufeinander. So kennzeichnen ebenfalls die von einem Gedicht John Keats’ angeregte „Ode an eine Nachtigall“ für Nonett und das Klavierkonzert von 1969/70 originelle Bemühungen um die Synthese von Überliefertem und Neuem.
Den Berliner Eisler-Schüler Günter Kochan (Jg. 1930) weisen (nicht nur) das vom späten Bartók beeinflusste Klavierkonzert (1957/58), das zweite Violinkonzert (1980) und die fünfte Sinfonie (1985/87) wie Geißler als einen von Modeerscheinungen freien Komponisten aus, der Neues in Verbindung mit Überliefertem für seine stets auf Klarheit bedachte, zugleich expressive Musiksprache zu nutzen versteht. Charakteristisch für Günter Kochan wie für andere in den 30er-Jahren geborene „zeitgenossen ost“ ist, dass sie – von ihren Lehrern dabei bestärkt – ihren eigenen Weg gehen: Gerhard Rosenfeld (Jg. 1931) als Schüler von Wagner-Regeny, Eisler und Leo Spies, der von Fidelio F. Finke und Ottmar Gerster ausgebildete Rainer Kunad (1936–95), die Wagner-Regeny-Schüler Manfred Weiss (geb. 1935) und Manfred Schubert (Jg. 1937).
Der Berliner Manfred Schubert genießt den Vorzug zweier CDs: eine mit dem 1988 augenzwinkernd nach einem Trio Carl Philipp Emanuel Bachs (zum 200. Todestag) geschaffenen Doppelkonzert für zwei Violinen und Orchester, dem Baritonkonzert „Canzoni amorose“ nach Gedichten Johannes Bobrowkis (1973) und Vogelreden III für sechs Flöten und Streichorchester (1990), die zweite mit Tanzstudien (1965), der ersten Sinfonie (1979/82) und Nachtgesängen (1986). Aber auch damit wird Verschiedenartigkeit belegt, die allerdings statt der Bevorzugung Rosenfelds und Schuberts mit Werken hier noch nicht bedachter Komponisten mindestens ebenso charakteristisch dokumentiert werden könnte.
Von den nach 1940 geborenen Komponisten wurde als Erstem dem Berliner Friedrich Goldmann (Jg. 1941) eine CD gewidmet. Das für die Eröffnung des Neuen Leipziger Gewandhauses 1979 geschaffene, 1981 unter Kurt Masurs Leitung uraufgeführte Klavierkonzert und die vierte Sinfonie von 1988 zeigen Goldmann nach manch frühen Experimenten als einen Künstler, der mit strenger kompositorischer Logik eine außergewöhnliche klangliche Vielfalt und Ausdrucksdichte erreicht. Wird nach einer allgemeineren Einordnung für diese nach 1920 geborenen Komponisten gesucht, so könnte am ehesten gesagt werden, sie beschreiten einen Weg, der dem Hans Werner Henzes näher liegt als dem Karlheinz Stockhausens.
Lieferbar sind diese CDs unter dem Label HAT 5301-5317 Hastedt.