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Weiblicher Vokaljazz der Gegenwart – Jazz-Neuheiten

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Vorgestellt von Hans-Dieter Grünefeld
Publikationsdatum
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Solistisch singen im Jazz immer noch mehrheitlich Frauen. Und zwar in fast allen Stilbereichen, wie aktuelle Publikationen zeigen.

Gleich im Tripel verbinden sich Mascha Corman, Sara Decker und Julia Ehninger zur forschen Band Frida (Kahlo?) und erkunden mit ihren Kollegen Conrad Noll am Bass und Jeroen Truyen am Schlagzeug  auf „Freedom Of Flight“ in aufregend nonkonformer Besetzung diverse Gefilde: elegant swingende Songs treffen auf A-cappella-Blöcke, die allerdings gelegentlich gesplittet werden können, weil dieser variable Front-Chor sicher rhythmisch flankiert wird. Solche Spektren strecken sich von sanftem Pop-Glacé über strikt poetische Jambus-Prosodie (etwa: „Kein Kinderlied“) zu experimentellen Timbres. (Jazzsick)

Ähnlich vielseitig ist Simin Tander, wenn sie als komponierende Vokalis­tin danach sucht, was „Unfading“, also unvergänglich oder beständig ist. Sie modelliert Töne wie eine Skulptur, manchmal in Halleffekten, sodass sakrale, zumindest spirituelle Sphären hörbar werden sollen, absichtlich bevorzugt weibliche. Dazu passen sanfte Bass-Arpeggien von Björn Meyer und gehauchte Phrasen der Viola d’Amore, begleitet von Samuel Rohrers punktueller Perkussion. Ihre lyrisch-sublime Seelenschau präsentiert Simin Tander sowohl durch vibrierenden Flüstergesang als auch suggestiven Jazzcantus. (Jazzhaus)

Zwar ebenso „De tout mon cœur“ hat Nina Plotzki doch eher extrovertiertes Temperament. Polyglott swingt sie, von Tony Lakatos am Sopransax umschwärmt, im alten Stil, dreht mit erotischem Flair zum Chanson, das Vincent Bourgeyx am Klavier mit impressio­nistischer Raffinesse und Darryl Hall am Kontrabass kantabile parfümiert. Rubato-Stimmführung und portugiesische Saudade in diskreter Bossa-Lebensfreude mit Schlagzeuger Bernd Reiter sind freundlich gesinnte Herzensangelegenheiten. (Alessa)

Zu denen sich Eva Viola Müller und ihr Klavierpartner Stefan Michalke aus Duo-Perspektive „InSight“ wenden, indem stoischer Gesangsduktus und lebhafte Arpeggi gewissermaßen konkurrieren. Moderat swingend werden daraus dann „Companions“, deren Spannungen Johannes Flamm mit Klarinetten-Ornamenten in deftigem Vibrato ausgleicht. Rock’n’Roll-Drive, Loun­ge-Gefühl in Rhodes-Glitzerklängen oder Tupfer aus präpariertem Klavier schaffen Umgebungen, in denen Eva Müller die Facetten und Winkel ihrer subtilen Tonpoesie  bestens gestalten kann. (Jazzsick)

In die Welt der „Lost Ships“, hier wohl als verborgene Preziosen gemeint, taucht Elina Duni ein und öffnet Klangkammern, gefüllt mit Standards wie „I’m A Fool To Want You“ von Frank Sinatra, allerdings nun statisch: Gaze aus Flageoletts des Gitarristen Rob Luft und zarte Flügelhorn-Girlanden von Matthieu Michel umkräuseln ihr filigranes Rezitativ. Außerdem weiche Chanson-Melodik über ein Ostinato und anderweitig Minimal-Trance. Darüber hinaus entstehen aus Entlehnungen albanischer und italienischer Folklore viele attraktive Mus­ter in ihren schwebend-filigranen Vokalgeweben. (ECM)

So bündeln sich die Sujets in diesen ausgewählten Novitäten weiblichen Vokaljazz zu existenziellen Konstanten wie emotionale Sicherheit, Trauer um Vergänglichkeit und Wünschen für eine humane Zukunft.

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