Neue Platten von und mit: Beyond The Black, Me and My Drummer, Jochen Distelmeyer, Phil Vetter und Bosse.
Ein ganz großartiges Album ist „Engtanz“. Von Bosse. Überraschend ist das nicht. Schließlich liefert Bosse seit über 15 Jahren wunderbare, anrührende und bezirzende Songs ab. Dennoch ist „Engtanz“ besonders. Geht tief. Hält sich nicht mit musikalischen Floskeln auf. Sticht rein ins Leben. „Steine“ ist so ein Song. Mitreißend, einfühlsam und Aufbruch-tauglich. Oder auch „Wir nehmen uns mit“. Leicht, locker, leger. Aber eben an die Nieren gehend. Und dann Bosses Texte. Die man gar nicht interpretieren muss. Weil sie nach jedem Hören eine neue Wendung ergeben können. Vielleicht wollen. Selten hat ein Album so viel Spaß gemacht und so viele – auch unbequeme – Wahrheiten ans Tageslicht gebracht. Ein schlichtes Danke für „Engtanz“ (Vertigo Berlin).
Phil Vetter überrascht mit einem kreuzkomischen Album. „Das Blaue vom Himmel“ mag man zunächst sofort weglegen. Zu sperrig, zu anstrengend, zu unverbindlich. Da will die Musik nicht zur Stimme passen, der Text nicht zum Gesang und der nicht zum Gesamteindruck. Leider würde man einen Fehler machen, dem Album nicht eine zweite Chance zu geben. Denn dann wird klar, dass sich schon Enor-mes hinter „Das Blaue vom Himmel“ versteckt. Man muss warm werden mit Phil Vetter und plötzlich macht alles Sinn. Die Songs bieten eine hintergründige Leichtigkeit an, die es zu erklimmen gilt. Vetters Gesang entpuppt sich als der einzig passende: lakonisch, direkt und nicht alltagstauglich. Sondern für sich stehend. Musikalisch packt Phil Vetter das ins selbst geschaffene Ambiente des „Urban Folk Pop Singers“. Das kann man unterschreiben, zumal seine Texte dem Banalen (Kann denn Bügeln Sünde sein …) eine angemessene Schwere verleihen. Sehr schön, aber zu erkämpfen (Hausboot Entertainment).
Jochen Distelmeyer, früher Blumfeld, bleibt der ungriffigste Künstler dieses Landes. Mit „Songs From The Bottom Vol. 1“ stellt er das nicht nur unter Beweis, was er nicht müsste, sondern auch klar. Passiert ist das Album, weil Distelmeyer auf seinen Lesereisen zur Gitarre griff und seine Lieblingslieder ziemlich unverschämt und arg rotzig präsentierte. Dazu gehören übrigens – und das mag man Distelmeyer fast wieder nicht zutrauen – Songs wie Britney Spears’ „Toxic“, Richard Ashcrofts „Bitter Sweet Symphony“ oder Lana Del Reys „Video Games“. Alle Songs funktionieren in diesem entrümpelten, vom Poplack befreiten akustischen Distelmeyer-Stil. Und sie funktionieren so großartig, dass man das Original tatsächlich vergisst und kaum mehr wahrnimmt. Nicht, dass er da jedem Ton eine irrsinnige Bedeutung einräumen würde und das Original als Ikone erhöht. Nein. Jochen Distelmeyer spielt schlicht und ergreifend seine Lieblingssongs. Und um die zu spielen, benötigt man ohne Zweifel Hingabe, Vertrauen und große Liebe (Four Music).
Me and My Drummer aus Berlin gehen einen Schritt weiter. Mit ihrem ersten Album „The Hawk, The Beak, The Prey“ zeigten Charlotte Brandi und Matze Pröllochs nicht nur Potenzial, sondern beweisen mit jedem Song, welche Schönheit in unpomadiger Schlichtheit schlummern kann. „Love Is A Fridge“ ist nun die Aufgabe aller Zurückhaltung. Direkt, aber immer noch in bestmöglicher Reduktion, reihen sich Perlen an Perlen, werden Songs zu Ewigkeiten und bedeuten ein Freischwimmen, das gar nicht nötig war. Und das Wunderbare an Me and My Drummer: Man braucht sich hier nicht lange mit musikalischen Beschreibungen aufhalten. Da faktisch unmöglich. Jeden Song gilt es, dreidimensional zu wenden und Wendungen zu suchen. Zeitlos oder geistreich? Strittig. Auf jeden Fall hörenswert und deutlich undefinierbar (Sinnbus).
Beyond The Black gelingt mit „Lost In Forever“ eine konsequente und beachtenswerte Fortsetzung des Erstlings „Songs Of Love And Death“. Ob das nun Melodic Metal oder Symphonic Metal heißt, sollen die wahren Experten ausmachen. Fakt ist, dass Beyond The Black in erster Linie von Sängerin Jennifer Habens Stimme leben, die jeden Song der Band höher führt. Zudem verstehen es Beyond The Black famos, die richtigen Akzente und Gewichtungen zu setzen. Nie sind die Gitarren zu vordergründig, nie das oft verpönte Keyboard. Am Ende stehen mächtige Songs, die sich nie im Pompösen verlieren und dennoch kraftvoll zubeißen können (We love Music).