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Melodisch swingende Figurationen bevorzugt der Pianist Volker Engelberth, dessen dreimal drei geteilte Suite „Prismatic Colours“ eine Jazz-Analogie zum Bild „Das Natursys­tem der Farben“ von Moses Harris ist.
Melodisch swingende Figurationen bevorzugt der Pianist Volker Engelberth, dessen dreimal drei geteilte Suite „Prismatic Colours“ eine Jazz-Analogie zum Bild „Das Natursys­tem der Farben“ von Moses Harris ist.
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Zyklen, Prismen, Perspektiven

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Jazzneuheiten, vorgestellt von Hans-Dieter Grünefeld
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Neue Aufnahmen von und mit: Violet Quartet, Volker Engelberth, Sons Of Kemet, Sebastian Gramss, Fola Dada & Rainer Tempel.

So wie ein Epos in Strophen ein zusammenhängendes Sujet hat, gibt es in diesem Sinn auch musikalische Zyklen. Beides haben Fola Dada (Gesang) und Rainer Tempel (Komposition) für „Boston MA – 10 Lieder nach Gedichten von Edgar Allan Poe“ im noch selten anvisierten Genre Jazzkunstlied kombiniert. Entsprechend phrasiert Fola Dada die Prosodie im swingenden Jazzidiom und Rainer Tempel begleitet sie am Klavier in oft unaufgelösten Akkordfiguren oder punktuell gar improvisierend, sodass für diese herbe Poe­sie ein ästhetisches Intermundium aus klassischer Form und offener Bedeutung entsteht. (Rodenstein 64)

Ein extrem anderes Interesse lenkt das Quartett Sons Of Kemet: Der karibische Saxophonist Shabaka Hutchings mit Wohnsitz in London hatte genug vom royalen Hype und weist durchaus agitatorisch auf „Your Queen Is A Reptile“, indem er als exaltierter Solist neun Idole afrikanischer Diaspora als würdigere Kandidatinnen für den Queen-Titel feiert: etwa die Bürgerrechtlerin Angela Davis oder die Sklavenbefreierin Harriert Tubman. Nicht aber als Marmorskulpturen, sondern tanzend zu Wirbeln von zwei Schlagzeugern und erdigem Tuba-Groove. Dub, deklamierte HipHop-Texte und Improvisation wirken wie archaische Rituale mit der Aufforderung, sich um verschüttete humane Werte zu kümmern. (Impulse!)

Melodisch swingende Figurationen bevorzugt der Pianist Volker Engelberth, dessen dreimal drei geteilte Suite „Prismatic Colours“ eine Jazz-Analogie zum Bild „Das Natursys­tem der Farben“ von Moses Harris ist. Deren Motiv-Metamorphosen, polyphone Stimmführung und improvisierte Episoden gestalten Alexander Kuhn (ts), Bastian Stein (tp), Arne Huber (b) und Silvio Morger (dr) wie ein Iris-Kaleidoskop. (UNIT)

Komplett elektrifiziert widmet sich das Violet Quartet der Frage, welche „Vibrations“ so präparierte klassische Streichinstrumente haben können. Die Violinisten Bettina Hagemann, Stefan Emde, Andreas Heuser und Sabine Rau deklinieren somit kurze Frequenzen reperkussiver Pizzicati mit dunklen Cello-Motiven, quasi E-Gitarren-Loops und grellem Diskant über Minimal-Patterns und andere aus populären und experimentellen Sounds bekannte Elemente durch fantastische, futuristische Hörwelten. (Makro)

Zukunftsperspektiven sucht auch Sebastian Gramss’ States Of Play mit dem Projekt „Out & About“, wobei der Bassist Retro-Segmente in dichten Arrangements für drei interagierende Trios neu zusammensetzt. Da kann ein Saxophon-Chanson in schleifenden Tönen durchaus sardonisch klingen und aus analytischem Status zu neuer Gestalt jenseits bekannter Maßstäbe werden. Diese Prozeduren konfrontieren uns mit Klangabenteurern, die Vertrautes in noch unbekannte Gebiete der Jazzformen führen, wie auch die oben genannten Konzepte für sich als Zyklen überzeugen. (Rent A Dog)

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