An den Geist der Kölner Elektronik-Pioniere anknüpfen will eine CD-Reihe, deren zweite Auflage nun erschienen ist: Noise of Cologne. Hier geht es um die vielen kleinen, vielfältig ausdifferenzierten Mikrokosmen. Die sich so unspektakulär und doch so beredt präsentieren wie eben auch sämtliche Sinneseindrücke einer Stadt abseits ihrer Schokoladenseiten. Wo das scheinbar beiläufige dennoch auf den Betrachter wirkt. Das Cover der Volume Zwei liefert entsprechende visuelle Anspielungen: Da liegen Naturflächen brach, sind Zweckbauten am Rande einer Stadt irgendwann mal hochgezogen worden. Scheinbar beiläufig.
So verhält es sich auch mit vielen akustischen Phänomenen im urbanen Raum. Alles wirkt irgendwie und klingt auch. So wie die Klangforschungen, minimalistische Kompositionen oder akustische Skizzen jener oft im Verborgenen wirkenden Ton- und Klangkünstler, die mal aus dem Geräuschhaften, dann aber auch gerne aus dem poetischen, oder einfach aus der Lust am Experiment heraus schöpfen.
Es geht dabei so gut wie gar nicht um jenes Underground-Segment, das so heißt wie der Titel dieser Compilation. Wo durch extrem zugespitzte Lautstärke Ohren zum Bluten gebracht werden. „Noise“ meint vielmehr die hier präsentierte Gesamtheit hörbarer Phänomene und künstlerischer Ansätze.
Starten wir die Klangreise. Dafür taugt ein Track, der erst im späteren Verlauf der Platte auftaucht und besser, weil symbolträchtiger, am Anfang dieser Produktion aufgehoben gewesen wäre: Lässt doch der Elektronik-Künstler Anthony Moore unbekannte, unbestimmte Züge über die Gleise rauschen und ein Synthesizer in der Klangfarbe früher Brian Eno-Stücke lädt dieses Fernweh-Gefühl mit Wärme auf. Was für illustre Persönlichkeiten leben doch in Köln! Wie hier Anthony Moore, ein Urgestein in Sachen atmosphärischer Klang-Kunst, der seines schon bei einigen Pink-Floyd-Stücken als Coautor verantwortlich zeichnete.
Natalie Bewernitz / Marek Goldowski sind als Kölner Paar mächtig in Sachen medialer Kunst unterwegs. Hier ziehen sie kühle Stromtöne heran, fast schneidende Sinusfrequenzen, schöpfen daraus Minimaltexturen, die ihre Spannung aus Phasenverschiebungen im Steve Reichschen Sinne beziehen. Echo-Ho nennt sich ein gebürtiger Chinese, der auch in futuristischer Tongebung seinem traditionellen Saiteninstrument treubleibt, wenn er seine zarte pentatonische Saiten-Poesie schwerelos durch imaginäre Räume gleiten lässt. Weich und geschmeidig bettet ein Artist namens Merzouga seine radiophone Kunst in ein schwebendes Ambient-Ruhekissen. Volker Zander steuert die greifbarsten, „musikalischsten“ Klänge bei, wenn er einfach so auf seiner Gitarre improvisiert und nach eigenem Bekunden ins Risorgimento reist. Und dann lässt Lu Katavist doch mal die Ohren bluten, wenn er seine harschen Klangflächen durch die Erzeugerkette aus Saiten, Tonabnehmer, Verzerrgeräten und Verstärker jagt.
Eines der eindringlichsten Stücke liefert Harald Sack Ziegler. Es branded auf, reißt mit, wie er einen schwirrenden, wabernden Ozean aus harschen Verzerrungen immer mehr zur lyrischen Textur, schließlich zum düster vorwärtsrockenden Riff verdichtet.
Diese Compilation macht auf jeden Fall Sinn: Sie lässt noch viele Künstler mehr als die hier erwähnten ihre Fensterchen öffnen, um in deren Werk hinein zuschnuppern. Man möchte mehr kennen lernen - vielleicht sich mal dem Gesamtwerk eines oder mehrerer Protagonisten zuwenden.