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Die Kunst des Klanges: Vittorio und Lorenzo Ghielmi mit Bachs „Kunst der Fuge“

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Mit einer Aufführung oder Einspielung von Bachs Kunst der Fuge ist immer auch die entscheidende Gretchen-Frage verbunden: „Nun sag, wie hast du’s mit der Besetzung?“ Denn bekanntlich schrieb Bach sein kunstvolles Fugenbuch zwar vielstimmig nieder, doch ohne jede Angabe eines verbindlichen Instrumentariums. Die entsprechenden Bearbeitungen sind daher Legion. Nun aber haben sich Vater und Sohn Ghielmi an das Werk gemacht…

Wer sich einen Überblick über die Vielzahl der naheliegenden oder auch kuriosen Instrumentationen verschaffen möchte, dem sei die staunenswerte Liste in Walter Kolneders fünfbändigem Standardwerk (1977) empfohlen. Hier findet sich einfach alles: vom Klavier über Orgel und Streichquartett bis hin zum vollständigen Sinfonieorchester. Und welcher Musikliebhaber hat nicht gleich mehrere Einspielungen des Werkes im Regal stehen?

In dieser Sammlung sollte nun auf jeden Fall die von Winter & Winter – einem für seine rundum besonderen und auf höchstem Niveau stehenden Einspielungen bekannten Label – vorgelegte Produktion nicht fehlen. Und wer bisher um das rätselhafte, vermeintlich abstrakte Spätwerk einen großen Bogen machte, sollte aufhorchen: Denn Vittorio und Lorenzo Ghielmi haben dem Werk zu neuem Leben und Charakter verholfen. Zum einen durch die Wahl der Instrumente: hier wechseln sich Cembalo, Silbermannsches Fortepiano und Gambenensemble kurzweilig ab. Zum anderen durch ihre überaus lebendige Darstellung der einzelnen Fugen, deren unterschiedliche Rhythmen und Ausdrucksbereiche musikalisch ausgelotet werden.

Dies betrifft die Artikulation der Themen, die Entwicklung der Linien wie auch die dramatisch-dynamische Zuspitzung des Verlaufs. Nicht die Abstraktion des kontrapunktischen Satzes, sondern sein vielfach unberücksichtigt gebliebenes klingendes Potenzial steht hier ganz und gar im Vordergrund.

Die beiden Ghielmis und das Ensemble Il Suonar Parlante treten damit einem seit langem festgeschriebenen Topos entgegen und verhelfen mit ihrer zupackenden, angenehm rauhen und doch genau durchartikulierten Spielweise dem vielfach missverstandenen Vermächtnis zu seiner wahren Musikalität. Faszinierend.
 

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