Er zählt zu jenen Künstlern der Jahrhundertwende, die abseits der großen zentraleuropäischen Metropolen einen eigenen Weg in die Moderne suchten und fanden: Mikalojus Konstantinas Ciurlionis (1875–1911). Viel zu früh verstorben, ging mit seiner künstlerischen Doppelbegabung eine vielversprechende Alternative in der Musikgeschichte verloren. Nun liegen seine Klavierwerke in einer maßgeblichen Gesamteinspielung vor – mehr als eine Ehrenrettung.
Er nimmt in seiner litauischen Heimat den Rang eines Nationalkomponisten ein, doch sein Name und sein Œuvre sind nach wie vor nur wenigen Experten bekannt. Eigenartig, denn Ciurlionis machte mit seiner bemerkenswerten kompositorisch-bildnerischen Doppelbegabung wirklich ernst. Kein anderer Komponist schuf derart musikalische Bilder, kein anderer Maler verfasste derart komplexe Partituren. Allenfalls vergleichbar mit Strindberg (kaum aber mit Schönberg) dachte Ciurlionis die Künste zusammen – nicht nur im rein äußerlichen Titel, sondern auch in den jeweiligen Strukturen, ohne sich dabei aber synästhetisch zu verengen.
Doch während sein unter dem Eindruck des Symbolismus stehendes bildnerisches Werk 1998 im Wallraf-Richartz-Museum (Köln) gezeigt wurde, sind Einspielungen seiner Kompositionen noch immer rar (in den Konzertsaal sind sie hierzulande noch gar nicht vorgedrungen). Neben den beiden großformatigen sinfonischen Dichtungen »Im Walde« (1900/01) und »Das Meer« (1903/07) lag der Schwerpunkt seines Schaffens auf der Klaviermusik, und hier auf der Komposition von Präludien, Fugen und Fughetten. Zwischen später Romantik und früher Moderne stehend, entwickelte Ciurlionis eine recht eigene Polyrhythmik, eigenartige melodische Linien und prä-serielle Abläufe; das kontrapunktische Handwerkszeug beherrschte er ohnehin brillant.
Mit den in den letzten Jahren produzierten fünf CDs hat das Label »Celestial Harmonies« nicht nur auf ein sehr eigenständiges Œuvre aufmerksam gemacht, sondern es zudem in einer mustergültigen Referenzeinspielung vorgelegt. Zu diesem Status verhilft vor allem das brillante, verständige Spiel von Nikolaus Lahusen – tragisch, dass auch er zu früh verstarb. Für die beiden letzten Folgen fand man glücklicherweise in Rokas Zubovas einen nicht minder engagierten Pianisten.