Hauptrubrik
Banner Full-Size

Alle Wege führen nach Liverpool

Untertitel
Endlich auf DVD: The Beatles in „Help!“ & McCartneys Musikvideos
Publikationsdatum
Body

Sie spukten in den vergangenen Wochen mal wieder durch alle Gazetten: The Beatles. Über Paul McCartneys Rosenkrieg las man in den Klatschspalten. Ringo Starr eröffnete mit einem Schlagzeugsolo die Feierlichkeiten in der Europäischen Kulturhauptstadt 2008, Liverpool. Und der Beatles-Musikkatalog spielte eine nicht unwesentliche Rolle im Spiel um den schwer angeschlagenen Musikriesen EMI, der einstigen Mutterfirma der Fab Four. McCartney hatte den sinkenden Musikdampfer bereits im letzten Jahr verlassen und war nach 45 Jahren zu Starbucks gewechselt. Im Schatten all dieser News standen zwei exzellente Veröffentlichungen, die nur den Musikmagazinen einige Zeilen wert waren: die DVD-Premiere des lange verschwundenen zweiten Beatles-Spielfilms „Help!“ (EMI) und die famose Macca-Werkschau „The McCartney Years“ (Warner).

„ When I look back, it sure was cool/For those four boys from Liverpool“, singt Ringo Starr auf seinem neuen Album „Liverpool 8“. Wieder einmal beschwört ein Beatle die guten alten Zeiten, als auch hierzulande „Pilzkopfkapellen wie Pilze aus dem Boden“ schossen, wenn man einem deutschen Fernsehkommentator aus den Sixties glauben darf. Irgendwie konnte damals noch kaum jemand in den deutschen Medien mit dem Phänomen Beatles etwas anfangen.

Der zweite Film der Beatles, „Help!“, trug bei uns den albernen Titel „Hi-Hi-Hilfe!“. In Anlehnung an „Yeah! Yeah! Yeah!“, den man für den Vorläufer „A Hard Day’s Night“ gewählt hatte. Nachdem dieses zweite Meisterwerk von Richard Lester eine halbe Ewigkeit aus rechtlichen Gründen vom Markt verschwunden war, gibt es nun endlich ein Wiedersehen mit diesem Pop-Art-Stück.

Im Booklet zum vorzüglich restaurierten „Help!“ (mit 30-minütigem Making-of) singt Martin Scorsese, dessen Rolling Stone-Film „Shine A Light“ die Berlinale eröffnen wird, ein Loblied auf diesen unglaublich einflussreichen britischen Film, der konzipiert wurde von Richard Lester. Als „Citizen Kane“ der Jukebox-Musicals bezeichnete damals ein amerikanischer Kritiker zurecht seine schwarzweiße Pseudo-Doku „A Hard Day’s Night“. Cineasten verglichen die Fab Four mit den Marx Brothers. Und wie in den Filmen der Marx-Brüder waren die Plots der Beatles-Vehikel vollkommen nebensächlich (in „Help!“ dreht sich alles um Ringos Ring). Schon Lesters Debütfilm gab das Motto vor: „The Running Jumping Standing Still Film“. Bewegung ist alles bei Lester, wie in Slapstickzeiten. Dazu kommt eine sehr moderne Filmsprache, die Elemente von Godard mit Frank Tashlin mixt.

Fast wie in Cartoons bewegen sich die Beatles in Lesters Zeichenwelten. Nur wenn die Beatles musizieren, sind sie ganz bei sich. Und so können all die Musiknummern, wie in Busby Berkeley-Zeiten, ganz für sich allein bestehen. Unglaublich lässig inszeniert Lester Songs wie „You’ve Got To Hide Your Love Away“ oder „Ticket To Ride“. Wie eine Sammlung von Videoclips funktioniert „Help!“ so dann auch. Promoclips, die für die Beatles werben, den Film und den Regisseur dieses perfekt durchchoreografierten Werks. Scorsese nennt „Help!“ in einem Atemzug mit Resnais’ „Letztes Jahr in Marienbad“, Truffauts „Fahrenheit 451“ und Antonionis „Blow-Up“. Und irgendwie gehört Lesters „Help!“ tatsächlich in diese Reihe von großen europäischen Filmen der Sixties. Wie eine frische Brise wirkt Lesters filmischer Drive von 1965. Ein Drive, den man heute im Kino oft schmerzlich vermisst.

Nachdem Paul McCartney 1970 die Trennung der Fab Four verkündet hatte, hieß einer seiner ersten Hits merkwürdigerweise „Hi! Hi! Hi!“ Daran erinnert nun eine 3-DVD-Box mit Video-
clips, Konzerten und Dokumentationsmaterial aus fast vier Jahrzehnten Macca-Geschichte. Ob sich der Refrain damals ironisch an den deutschen „Help!“-Titel anlehnte, erfahren wir nicht. Aber wir erleben zum Beispiel Paulchen in den legendären Abbey Road-Studios. Eine halbe Stunde erzählt er uns in „Creating Chaos at Abbey Road“ alte Anekdoten und singt uns alte Beatles-Lieder vor wie „Blackbird“ oder „Lady Madonna“ (diesmal nicht im hämmernden New-Orleans-Style, sondern als Ballade).

Viele der Lieder aus den siebziger Jahren hat man fast schon vergessen. Und so freut man sich besonders, wenn man zum ersten Mal die frühen Promoclips zu „Maybe I’m Amazed“ oder „Heart of the Country“ sieht. So relaxt wie bei diesem Countrysong hat man danach den Meister selten wieder gehört. Und wenn man Mitte der Seventies noch geglaubt hatte, er habe „Band on the Run“ über seine damalige Band Wings geschrieben, wird man jetzt eines besseren belehrt. Im Video von damals sieht man im Monty-Python-Stil nur immer wieder die Fab Four, als Liverpooler Pilzköpfe oder im Sgt.-Pepper-Outfit. Und noch eine weitere Ikone der Sixties geistert hier herum, Brian Epstein, der Mann, der die Beatles einst berühmt gemacht hatte.

The McCartney Years
3 DVDs, 375 Min. Spielzeit
Warner

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!