Dass Claus Guths Salzburger Mozart-da-Ponte-Zyklus nun komplett auf DVD vorliegt, ist erfreulich, auch wenn die jüngst bei EuroArts erschienenen Aufnahmen (auch als Blu-ray, Vertrieb: Naxos) nicht an den schon vor drei Jahren von der Deutschen Grammophon veröffentlichten „Figaro“ heranreichen.
Hatte sich dort aus Guths, von Ibsen, Strindberg und Filmemacher Bergman inspirierter, melancholisch-psychologisierender Abschattierung und Nikolaus Harnoncourts konsequent heruntergebremster Nachdenklichkeit ein schlüssiges Ganzes ergeben, so stellt sich in der „Così fan tutte“ und im „Don Giovanni“ dieser Eindruck nun trotz nachdenkenswerter Regieansätze nicht durchgehend ein.
Genauer gesagt, liefern die Wiener Philharmoniker unter Adam Fischer eine derart uninspirierte und mit der Bühne ungenügend koordinierte „Così“ ab, dass man an deren Mozart-Kompetenz mehr als einmal ernsthafte Zweifel bekommt. Auch das Sängerensemble bleibt bis auf Patricia Petibons Despina und Bo Skovhus’ manierierte Alfonso-Geisterbeschwörungen blass. Dazu spielt sich eine bisweilen hellsichtig ins Innere der Figuren blickende, oft aber auch nur flüchtig angedeutete Uminterpretation ab. Dass hinter dem bewusst vollzogenen Partnertausch die wilde Natur steckt, deren Nadelgehölz sich im Schöner-Wohnen-Ambiente breit macht, bleibt immerhin als einprägsames Bild hängen und stellt die Verbindung zum Don Giovanni her.
Der befindet sich nicht zur Naherholung im Wald, sondern fristet – vom Komtur zu Beginn lebensgefährlich angeschossen – ein jämmerliches Restdasein inmitten verflossener und aktueller Eroberungen. Bertrand de Billy hat die Wiener schon deutlich besser im Griff als Fischer, Akzente setzt aber vor allem die mitunter beinahe übermotivierte Continuo-Gruppe zu den von Guth minuziös ausgekosteten Rezitativen. Gesanglich überragt Erwin Schrott als halb debiler Leporello ein gutes, aber nicht mitreißendes Ensemble.
Als Festspieldokument wird dieser Mozart in jedem Fall vom Bregenzer „König Roger“ in den Schatten gestellt (C major/Naxos, auch als Blu-ray). Intendant David Pountney hatte 2009 höchstselbst Hand angelegt und Karol Szymanowskis Parabel auf den Widerstreit religiös kontrollierter Rationalität auf der einen und orgiastischer Körperlichkeit auf der anderen Seite mit bezwingender Klarheit auf eine, Szymanowskis Partitur kongenial kommentierende, farbig schillernde Treppenkonstruktion projiziert. Eine ausgezeichnete Sänger-, Chor- und Orchesterleistung (Wiener Symphoniker) unter der Leitung Mark Elders sorgt für den herb-narkotisierenden Wohlklang.
Eine weitere Regie-Großtat ist auf der EuroArts-DVD mit Willy Deckers „Moses und Aron“ von der Ruhrtriennale 2009 festgehalten. Wie sich der zunächst im Publikum sitzende Chor der erst allmählich entstehenden Bühne bemächtigt, ist szenisch wie musikalisch gleichermaßen bezwingend, die Leistung des ChorWerk Ruhr (Einstudierung: Rupert Huber) schlicht sensationell. Die Bochumer Symphoniker unter Michael Boder, die in der Aufführung häufig als Fernorchester fungierten (siehe nmz Online vom 25.8.2009), profitieren akustisch von dieser auch kamaratechnisch faszinierenden Aufzeichnung, die mit Dale Duesing und Andreas Conrad auch in den Hauptrollen erstklassig besetzt ist .
Wagners „Rienzi“ war eine der wenigen Produktionen, die der zuletzt arg gebeutelten Deutschen Oper breite Zustimmung eingebracht haben. Die geschickt gekürzte Fassung, von Philipp Stölzl vorhersehbar, aber mit beachtlicher visueller Kraft in ein faschistisches Ambiente versetzt, lebt vor allem von einem guten Sängerensemble (allen voran der messerscharf artikulierende Torsten Kerl in der Titelpartie), der souveränen Koordinationsleistung Sebastian Lang-Lessings und der, auch in der individuellen szenischen Präsenz überragenden Leistung des Chores der Deutschen Oper (Einstudierung: William Spaulding).
Arthaus feiert seinen zehnten Geburtstag mit einer Reihe weiterer Opern-DVDs (viele auch auf Blu-ray), darunter einige Wiederveröffentlichungen, aber auch Neuerscheinungen wie der völlig belanglose Zürcher Così-Mitschnitt (Regie: Sven-Eric Bechtolf, Dirigent: Franz Welser-Möst) und Nikolaus Lehnhoffs kühler, erst gegen Ende bewegender Blick auf Francis Poulencs „Dialogues des Carmélites“.
Von anderem Kaliber sind da die historischen Opernfilme aus den frühen 1960er-Jahren, die Arthaus aus ORF-Archiven hervorgeholt hat. Live im Studio gesungen, entwickeln sie eine musikdramatische Unmittelbarkeit, die neueren Unternehmungen dieser Art oft abgeht. Die musikalisch leicht angestaubten, dank mitreißender Sängerdarstellerinnen mit erstaunlicher Bildschirmpräsenz (darunter Elisabeth Höngen, Melitta Muszely und Ljuba Welitsch) aber dennoch sehenswerten Menotti-Opern „Der Konsul“, „Die alte Jungfer und der Dieb“ und „Das Medium“ (die beiden Einakter auf einer DVD) sowie ein weniger überzeugender „Falstaff“ werden überragt von Otto Schenks Othello-Film: Wie die Gesangslegenden Wolfgang Windgassen und Sena Jurinac von dem sehr prägnanten Jago Norman Mittelmanns ins Verderben gestürzt werden, hat, gerade auch in deutscher Sprache gesungen, tragische Größe.