Giacomo Puccini: Manon Lescaut; Miriam Gauci (Manon), Antonio Ordoñez (Des Grieux), Jan Danckaert (Lescaut), Jules Bastin (Geronte), u.a., Chor und Orchester der Flämischen Oper, Silvio Varviso; Inszenierung: Robert Carsen, Ausstattung: Anthony Ward; Bildregie: Dirk Gryspiert (1991, live)
Arthaus/Naxos DVD 100 224 (124‘)
Manon, die Karrierefrau. Manon, das nach Liebe gierende Luxus-Weib. Manon auch, die obsessive Zerstörerin ihrer selbst. Diese Facetten bringt Robert Carsen nicht nur im Finale zwingend auf den Punkt. Doch so abstrakt, so poetisch er Aufstieg und Fall der Manon Lescaut auch erzählen mag – Puccinis Vorgaben werden immer erfüllt. Nur die Pariser Schickeria geriert sich während der ersten drei Akte in windschiefen, surreal anmutenden Spiegelwänden. Das irritiert. Das erzeugt Spannung. Es macht klar: Manons Versessenheit auf Reichtum und Pomp ist auch das Ergebnis ihrer feudal organisierten Umwelt. Die hilflose Femme fragile ist Miriam Gauci deshalb noch lange nicht. Kraftstrotzend und mit samtener Piano-Kultur stürzt sie ins eigene Unheil. Dagegen zeigt Antonio Ordoñez: man braucht keine Riesenstimme um Des Grieux messerscharf zu gestalten. Genauso ist Jules Bastin als Geronte ein konturreicher Lüstling. Widerspricht das nicht der Musik? Ihrem süßlichen Melos? Nicht bei Silvio Varviso, ein begnadeter Begleiter und sublimer Klangregisseur in Personalunion. Die für Puccini ungewöhnlich sinfonischen Ausmaße der Partitur gestaltet er nicht nur intelligent, sondern auch hochmusikalisch. Trotzdem: In den Vordergrund drängt er sich nie. An den entscheidenden Stellen trägt er seine Sänger auf Händen und macht zugleich subtilste Kammermusik im goldenen Käfig.