Hauptbild
Carl Nielsens Oper Saul und David auf DVD
Carl Nielsens Oper Saul und David auf DVD
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Die vielen Gesichter des König Saul

Untertitel
Opern von Nielsen, Verdi, Charpentier, Schnebel und Weinberg auf DVD
Publikationsdatum
Body

Niels Jørgen Riis sieht als David ein wenig aus wie Luciano Pavarotti. Passt ganz gut, denn Regisseur David Pountney deutet den alttestamentarischen Sänger als unbekümmerte Frohnatur, die mit einer gewissen Naivität in eine komplizierte religiös-machtpolitische Gemengelage hineingezogen wird.

Dabei macht Pountney aber nicht den Fehler, Carl Nielsens Oper Saul und David auf ein plattes Lehrstück über den Nahostkonflikt zu reduzieren. Bühne und Kostüme deuten nur an, dass es um Araber und Juden, um einen kriegerischen Konflikt und um religiösen Fanatismus geht. Der Prophet Samuel spielt dabei eine Schlüsselrolle, behält – ein vom Libretto abweichender Coup – am Ende gar die Oberhand. Musikalisch zeigt Nielsen in dem 1902 uraufgeführten Stück viele Gesichter. Neben konventionellen Liebesduetten und Davids Harfenbegleitung, die ein wenig nach Tannhäuser klingt, scheint in markanten harmonischen Wendungen und Instrumentierungen immer wieder der Symphoniker durch, der zu diesem Zeitpunkt allerdings noch auf dem Weg zum „Expansiven“ und „Unauslöschlichen“ war. Ein Platz in der Operngeschichte gebührt Nielsen aber vor allem für die ausgedehnten, oratoriennahen Chorpassagen und die eindringliche vokale Charakterisierung des innerlich zerrissenen, launenhaften Königs Saul. In der Produktion der Königlichen Oper Kopenhagen von 2015 (anlässlich von Nielsens 150. Geburtstag) brilliert Johan Reuter in dieser Paraderolle für einen charakter- und stimmstarken Bariton. Die Kamera fängt sein intensives Spiel immer wieder in Nahaufnahme ein oder stellt ihn mit extrem weitwinkligen Einstellungen in das ihn zunehmend überfordernde Umfeld. Niels Jørgen Riis singt nicht ganz so wie Pavarotti, aber die Faszination, die von seiner Stimme ausgeht, kann er durchaus glaubhaft machen. Bis auf kleine Koordinationsprobleme mit dem im Bühnenhintergrund in Wohnzellen postierten, ausgezeichneten Chor im ersten Akt, hat Michael Schønwandt den Apparat bestens im Griff, das Plädoyer, das Ensemble und Orchester für Nielsens Oper abgeben, könnte kaum überzeugender ausfallen. (Dacapo)

Ein anderer Regisseur, der zu starken Bildfindungen fähig ist, ohne die Details der Personenzeichnung zu vernachlässigen, ist Martin Kušej. Was die Bilder betrifft, so hielt er sich in seiner Münchner Staatsoperninszenierung von Verdis La Forza del destino (2013) allerdings vergleichsweise zurück und situierte die sprunghafte Handlung nur sehr allgemein in einem aktuellen kriegerischen Szenario. Weil er dabei aber das Sängerteam als Darstellerensemble führt, entstehen intensive theatrale Momente, die auch vor der Kamera Bestand haben. Anders als in der neuesten Verdi-Produktion am Nationaltheater („Un ballo in maschera“, sie-he nmz Online), in der einen das hohe Vokalniveau mangels szenischer Dichte kalt lässt, entwickelt sich bei Kušej zwischen Anja Harteros, Jonas Kaufmann und Ludovic Tézier packendes Musiktheater. Ashley Fisch am Pult des Staatsorchesters hält die Spannung unspektakulär, aber zuverlässig aufrecht. (Sony)

Weiter zurück in die Musikgeschichte führt uns das kleine niederländische Opernensemble „Opera2day“ mit La Troupe d’Orphée: Marc-Antoine Charpentiers „La descente d’Orphée à l’enfer“ betten sie zusammen mit Tänzern der „Dutch Don’t Dance Division“ dabei unter Verwendung weiterer Charpentier-Nummern aus anderen Werken in eine lockere Rahmenhandlung rund um eine fahrende Operntruppe ein. Dieser freie Umgang mit der Vorlage und die ohne großen Bühnenapparat aber mit viel Fantasie in einem Kirchenraum umgesetzte Szenerie atmet eine große Frische und jenen Enthusiasmus, den so manche Hochglanzproduktion vermissen lässt. Das kleine Instrumentalensemble unter der Leitung von Hernán Schvartzman und das ausgezeichnete, von Reinoud van Mechelen (Orphée) und Sophie Junker (Euridice) angeführte Ensemble machen vergessen, dass Charpentiers Orpheus-Oper nur phasenweise die Intensität eines Gluck, geschweige denn eines Monteverdi erreicht. (www.oper2day.nl)

Kein Opernmitschnitt, aber eine Dokumentation mit einem Musiktheaterwerk als rotem Faden ist das Porträt Schnebel – Andante von moto von Susanne Elgeti. Die Regisseurin, die bereits einen ausgezeichneten Film über „Maulwerke“ vorgelegt hat (nmz 4/12), begleitete Dieter Schnebel während seiner Arbeit an dem 2014 uraufgeführten Biennale-Auftragswerk „Utopien“, deren leichtfüßig auskomponierte Trias Glaube – Hoffnung – Liebe den Film abschnittsweise gliedert. An die Dichte der „Maulwerke“-Dokumentation reicht dieses Porträt nicht heran, dennoch kommt es dem Komponisten und dem Menschen Dieter Schnebel sehr nahe. (Wergo)

Hinzuweisen ist außerdem darauf, dass der Mitschnitt der sensationellen szenischen Uraufführung von Mieczyslaw Weinbergs Oper Die Passagierin (Bregenzer Festspiele, siehe nmz 9/2010) bei Arthaus wieder auf DVD verfügbar ist. Eine Pflichtanschaffung für jeden an der Musik des 20. Jahrhunderts Interessierten.
 

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!