Der fliegende Holländer (Icestorm) +++ The Magic Flute (BFI)
Der fliegende Holländer (Icestorm)
Opernverfilmungen gehörten seit den Anfängen des ostdeutschen Filmkonzerns zu den Schaustücken der Defa. Der Strang begann 1949 mit „Figaros Hochzeit“ und fand 1964 seinen Höhepunkt mit „Der fliegende Holländer“. Dazwischen lagen einige steife Verfilmungen, die weder Oper noch Kino waren. Es war der damalige Leipziger Operndirektor Joachim Herz, der versuchte, eine Oper konsequent als Film „einzurichten“. Er schuf damit eine selbständige Interpretation. Im Zentrum ist natürlich auch bei ihm die Liebesgeschichte von Senta und dem fliegenden Holländer.
Aber während sich bei Wagner Märchen und Realität vermischen, trennen Joachim Herz und sein Szenenbildner Harald Horn die beiden Ebenen wieder. Dabei betten sie den eigentlichen Plot in eine Rahmenhandlung, die sich sogar formal von den Traumszenen unterscheidet. Die realen Vorgänge sind im Normalformat, die Träume sind im Totalvision-Format. Gegen die Enge des Dorflebens wird die „weite“ Welt des Traums gesetzt. Der junge Filmkritiker Hans Helmut Prinzler hat die Qualität des Films auch im Westen bereits 1965 erkannt und wunderbar beschrieben: „Wenn sich der Vorhang öffnet, erklingt nicht gleich die Ouvertüre, Senta sitzt zunächst in ihrer Kammer und liest in der Chronik die Sage vom fliegenden Holländer. Von draußen hört man es stürmen, Senta lauscht, und ganz sacht setzt sich der Wind in musikalische Schwingungen um. Da stellen sich bei Senta die ersten Traumbilder ein, die Leinwand fließt auseinander, und die Ouvertüre erfüllt den Raum. So wirkt die Musik nicht als Zugabe des Produzenten, sie entsteht notwendig aus einer spezifischen Situation.“ Als der Film 2010 in Leipzig wiederaufgeführt wurde, hat Herz den Anfang so erklärt: „Der Beginn des Films ist eine Demonstration dessen, was wir unter ‚Musiktheater‘ verstanden haben: Aus dem inneren Zustand der Figuren erwächst die Musik, aus der Musik erwächst das Bild – nicht umgekehrt.“
The Magic Flute (BFI)
Viele Jahre lang war Ingmar Bergmans Verfilmung der „Zauberflöte“ vom Markt verschwunden. Das British Film Institute hat den Titel nun endlich in England wiederveröffentlicht. Mit viel Bonusmaterial: unter anderem einer reizenden Scherenschnittfassung von Lotte Reiniger („Papageno“), einem Besuch im Post-„Anschluss“-Österreich und Anthony Asquiths Glyndebourne-Film. „Trollflöjten“ entstand 1974 in Schweden und ist wie viele Bergman-Filme eine Hommage an das Kino und an das Volkstheater. Unvergesslich die Inszenierung von Mozarts Ouvertüre: „Die Kamera schwebt über das Parkett. Gelbe, schwarze, weiße Gesichter, Kinder und Erwachsene. Ihre Profile verwandeln sich mit einem Mal in Satzteile mit neuer Bedeutung, die zusammen das ausdrücken, was wir als Gemeinschaftserlebnis kennen.“ So beschrieb der Kritiker des Aftonbladet den Anfang des Films.
1976 kam der Film auch in die deutschen Kinos und fand auch dort einige schwärmerische Liebhaber, darunter auch den SZ-„Kritikerpapst“ Joachim Kaiser: „Ausgerechnet jene heikle Mozart-Oper, die auf Staatsopern-Brettern fast immer läppisch, kurzatmig, kindisch und steif erscheint, (…) an dessen höhere Bedeutung man nur mit angestrengter Verehrungsbereitschaft zu glauben vermag, ausgerechnet diese allzu leichte und allzu schwere ‚Zauberflöte‘ hat Ingmar Bergman in einen Kinofilm verwandelt, wie er heiterer, seliger und unprätentiöser noch keinem Werke Mozarts, ja meines Wissens überhaupt noch keinem Musikstück abgewonnen worden ist, seit Film und Fernsehen existieren.“ Bergman hat „Die Zauberflöte“ als „das beste Musical der Welt“ betrachtet. Vielleicht war das der „Schlüssel“ gewesen für die Schwärmerei Kaisers. Sein Fazit: „Bergman fällt so viel und so spontan Optisches ein, dass sich jene Starre nicht einstellen kann, die bis zu diesem Film unumgänglich war, wenn Theater auf die Leinwand gebannt erschien.“