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Das zweite DVD-Paket der „Rolling Stone Music Movies Collection“
Das zweite DVD-Paket der „Rolling Stone Music Movies Collection“
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Per Express durch die Musikgeschichte

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Das zweite DVD-Paket der „Rolling Stone Music Movies Collection“
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Jeder jammert heutzutage über die „Informationsflut“, die man nicht mehr bewältigen könne. Und dass niemand mehr die „Übersicht“ haben könne über das Medienangebot. Und deshalb schuf Gott die „Dachmarke“. Alte Produkte werden so noch einmal vermarktet. Das sichert die Marktanteile (die in der DVD/Blu-Ray-Branche inzwischen wichtiger geworden sind als der Umsatz!) und nimmt dem Kunden die Qual der Wahl ab. Alle sind zufrieden – und der Euro rollt! Und wenn die Auswahl so exquisit ist wie bei der „Rolling Stone Music Movies Collection“, darf man auch nicht meckern.

Jetzt hat die Musikzeitschrift „Rolling Stone“ ein zweites Paket mit zwölf famosen Musikfilmen aus den letzten 30 Jahren zusammengestellt. Und wieder lässt sich damit eine ganz eigene Geschichte der Pop-Musik des 20. Jahrhunderts erzählen. Der älteste Film von 1984 führt uns zurück in den New Yorker „Cotton Club“ der frühen dreißiger Jahre. „Cotton Club“ war seinerzeit ein großer Flop für den „Paten“-Regisseur Francis Ford Coppola gewesen, trotz einer tollen Performance des „American Gigolos“ Richard Gere. Aber irgendwie scheint damals die Zeit noch nicht reif gewesen zu sein für diese Hommage an den glamourösen Club. So wirkte der elegante Jazz-Sound von Duke Ellington (von John Barry arrangiert) seltsam deplatziert. Und selbst ein so großartiger Harold-Arlen-Song wie „Ill Wind“ ging beim Publikum damals unter. Aber die Zeiten ändern sich, „Ill Wind“ wurde inzwischen zum Standard, und „Jazz“ wurde zur „Marke“ für alles, wo nicht „Jazz“ drin ist. Ja, „Cotton Club“ war seiner Zeit voraus.

Ein nicht ganz so berühmter Klarinettist, den die Welt eher als Filmregisseur liebt, erzählte uns in „Sweet and Lowdown“ die Geschichte eines mir bis heute unbekannt gebliebenen Jazzgitarristen, eines gewissen Emmet Ray. Ein Biopic der besonderen Art war das, von Anfang an erstunken und erlogen – und doch so wahr. Wie die Geschichte des Chamäleons „Zelig“, die uns der Klarinettist Woody Allen 20 Jahre vorher erzählt hatte. Und für Sean Penn, der dieses Django-Reinhardt-Double so wunderbar verkörperte, war das eine erste Vorstudie für seinen Harvey Milk. Ein Film über eine Seele von einem schlechten Menschen. Eingetaucht war dieser Traum-Film in die Musik von Django Reinhardt.

1964 war das Jahr der „British Invasion“ in den USA. Und die vier Invasoren trugen einen gemeinsamen Namen: „The Beatles“. Anfangs wurden ihre Platten noch manchmal verbrannt, aber inzwischen gehören ihre Lieder zum Weltkulturerbe. 1970 lösten sich die „Liverpudels“ – wie man sie in Deutschland nannte – auf und die Invasoren gingen ihrer Wege. Der erfolgreichste von ihnen eroberte danach mit seiner Gruppe Wings erneut die USA. Und als sich auch die in Luft aufgelöst hatten, ging Paul McCartney – der im Juni seinen 70. Geburtstag feierte, wieder auf Welttournee und sang die alten Lieder. Festgehalten wurde das von dem Mann, der einst das Bild der Beatles mit „A Hard Day’s Night“ und „Help“ mitgeprägt hatte: Richard Lester. Um 1990 genügten auch ihm die Songs, die sich in unser Unterbewusstsein eingeschlichen haben, „The Fool on the Hill“ oder „Yesterday“. 

Eigentlich waren die Beatles die Musterknaben der Popmusik. Aber das bemerkte man erst, als ein gewisser Jim Morrison auftauchte, und um „Feuer“ bat, ach was, um „Fire“ schrie. In „The Doors – When You’re Strange“ erzählt uns nun ein anderer großer Verführer, der ewige „Prince Charming“ des Kinos, Johnny Depp, die Geschichte dieses Herrn, der immer auf die „andere Seite“ wollte, weil er dort die wahre Ekstase erwartete. Das Material dieser Dokumentation ist atemberaubend, so gibt es auch den berühmten Auftritt in der legendären Ed-Sullivan-Show mit „Light My Fire“ zu bewundern, der zum Eklat führte. Danach sollte man am besten in den „Festival Express“ einsteigen, der eine ganze Truppe von Musikern 1970 nach Kanada führte. Besonders hübsch, eine Jam-Session im Zug mit der besoffenen Janis Jop-lin und ihren Saufkumpanen von The Band und The Grateful Dead. Noch im selben Jahr war die „longest party in rock’n’roll history“ (wie die Tournee auch genannt wurde) für Joplin für immer vorbei. Bald danach erklangen in Philadelphia und München ganz neue Klänge, von Strings „versüßt“: Disco. Und in den späten Siebzigern gab es in New York nur einen Club, wo „die Musik spielte“: „Studio 54“. Dort trafen sich Andy Warhol, Grace Jones, Bianca Jagger und Truman Capote mit den Drag Queens der Nacht. Ein bisschen vom „Spirit“ dieses Orts versuchte auch der gleichnamige Film zu vermitteln, der letztlich zu harmlos war. Aber der Disco-Soundtrack war natürlich großartig.

Gegen die Hippies und Disco rebellierten dann vor allem in England die Punks. Einer, der damals schon den ultimativen Sex-Pistols-Film inszeniert hatte, „The Great Rock’n’Roll Swindle“, hat sich vor ein paar Jahren noch einmal daran erinnert: Julien Temple. „Joe Strummer – The Future Is Unwritten“ nannte er sein bewegendes Porträt des „Clash“-Gründers. Zur selben Zeit, um 1977, wurden in den USA immer noch Platten verbrannt, dieses Mal traf es die niedlichen „Kiss“, die ein hübsches Teen-Movie inspirierten: „Detroit Rock City“. Dreißig Jahre später ging man in einem schleswig-holsteinischen Nest namens Wacken schon viel entspannter mit den Heavy-Metal-Invasoren um, die jedes Jahr zur Festivalzeit den Ort freundlich überfallen. So kann man in „Full Metal Village“ erleben, wie locker die Einwohner mit ihrem „Alleinstellungsmerkmal“ umgehen. Jedes Jahr ist dort der Teufel los und sie heißen ihn herzlich willkommen.

Eigentlich wollte der große Gitarrist und Musikforscher Ry Cooder 1996 in Kuba nur Mitglieder der örtlichen „Son“-Szene aufstöbern. Sein Kumpel Wim Wenders (für den er „Paris, Texas“ orchestriert hatte) sollte das ganze filmen. Dass sich das Projekt „Buena Vis-ta Social Club“ dann aber zum Welthit mausern sollte, konnte keiner der Beteiligten ahnen. Film und Soundtrack trafen den Zeitgeist. Und aus jedem Café der Welt erklang bald „Chan Chan“, und die vergessenen Musiker erlebten einen zweiten musikalischen Frühling. Auch Martin Scorsese ließ sich danach zu einem eigenen Projekt inspirieren: „The Blues“ nannte er seine Fernsehserie. Und am Ende stand ein „Salute“: „Lightning in a Bottle“. Alte und neue Helden versammelten sich in der Radio City Music Hall zu einem Konzert: Mavis Staples, Buddy Guy, B.B. King, Solomon Burke, Keb Mo’ oder Macy Gray. Ein Gipfeltreffen der besonderen Art gab es schließlich in „It Might Get Loud“: Jimmy Page, The Edge und Jack White trafen sich zum gemeinsamen Musizieren und zeigten uns ihre magischen Orte. So erfuhr man endlich, wo das unsterbliche „Stairway To Heaven“ entstanden ist, in einem ehemaligen Armenhaus in East Hampshire.

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