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Happy-End für Romeo

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Georg Anton Benda: Romeo und Julie (Gesamtaufnahme, deutsch); C. Taha (Julie), J. Keuper (Romeo), M. Mulder (Laura), A. Näck (Capellet), T. Pfeifer (Pater Lorenzo), LandesSinfonieOrchester Thüringen-Gotha, Leipziger Vokalsolisten, Konzertchor der Stadt Gotha, Hermann Breuer. Canterino CNT 1083 (2 CDs) DDD Shakespeares berühmteste Liebesgeschichte fand vielfältige Ausformung und Aktualisierungen. Was Leonard Bernstein im Genre Musical gelang, das versuchte jüngst auch das Medium Film mit dem Originaltext: eine heutige Sichtweise, mit Bandenkrieg, Autos, Gewehren und Drogen. Einem solchen Bemühen stand der Komponist Georg Anton Benda auf seine Weise im 18. Jahrhundert kaum nach. Freizügig verwandelte er, gemeinsam mit seinem Librettisten Friedrich Wilhelm Gotter, wohl als erster im deutschen Sprachraum, die Shakespeare-Vorlage in ein deutsches Singspiel. Das 1776 in Fortentwicklung der Tradition Johann Adam Hillers, mit Prosadialogen anstelle von Rezitativen, entstandene Bühnenwerk erzählt die Liebesgeschichte zunächst ausschließlich aus der Sicht Julias, die hier Julie heißt. Aus Capulet wird die Bariton-Partie des Capellet, und die Montague-Familie ist in dieser Handlung außer durch den Tenor Romeo, der hier Roméo betont und ein Montecchi genannt wird, nicht präsent. Laura, die Amme, ist – wie Julie – für Sopran gesetzt und Pater Lorenzo ist eine Sprechrolle. So kommt die Oper mit vier Gesangssolisten und einem Schauspieler, sowie Chor aus. Kurios ist die Wendung zum Happy-End: Julia wacht auf, bevor Roméo seinen Entschluß verwirklicht, sich umzubringen. Die Einspielung von den Schloßfestspielen Gotha 1993 macht Bendas Einfluß auf Mozart hörbar. Georg Benda, der zuvor die Kunstform des dramatischen Melodrams kreiert und mit Erfolg angewandt hatte, setzt auch in seinem dreiaktigen Singspiel melodramatische Passagen ein. So hat Julie in der Arie ihres Vaters einige Melodram-Einwürfe, was geradezu die Praxis heutiger Regisseure in der komischen Oper antizipiert. In Bendas Werk, das bis ins 19. Jahrhundert hinein aufgeführt wurde, paaren sich Empfindsamkeit mit Sturm und Drang. Das klein besetzte LandesSinfonieOrchester unter seinem Leiter Hermann Breuer hebt mit jungen Gesangssolisten die Meriten der Partitur hervor, die deutlich der Kultur der Mannheimer Orchesterschule verpflichtet ist. Der Live-Mitschnitt aus dem Hoftheater Gotha beinhaltet auch die Dialoge, deren Interpretation nicht die Qualität der Gesangsnummern erreicht. Peter P. Pachl

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