Wagner: Lohengrin; Plácido Domingo (Lohengrin), Cheryl Studer (Elsa), Dunja Vejzovic (Ortrud), Hartmut Welker (Telramund), Robert Lloyd (König Heinrich), Georg Tichy (Heerrufer) und andere, Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, Claudio Abbado; Inszenierung: Wolfgang Weber, Ausstattung: Rudolf & Reinhard Heinrich; Bildregie: Brian Large (1990, live)
Arthaus/Naxos 2 DVD 100 956 (219‘)
Über Antwerpens mittelalterlichem Himmel flutet die warme Sonne Italiens. Verantwortlich dafür ist nicht die Lichtregie, die den Schwan so ungebrochen rein erstrahlen lässt, dass man meinen könnte, ein Video der Uraufführung zu sehen. Verantwortlich ist auch nicht der Lohengrin von Plácido Domingo, der sich heißblütige Töne mit vokalem Hochdruck erkämpft, wodurch der Text unverständlich wird: Momente inniger Lyrik, menschlichen Fühlens und Handelns sind an einer Hand abzuzählen. Nein, die Gründe liegen anderswo. Die Sonne über Lohengrins Antwerpen, die 1990 die Wiener Staatsoper mit Glut und Musikalität schier überströmte, hat ihren Sitz im Orchestergraben.
Bei Claudio Abbado klingen die Streicher schon im Vorspiel warm und silbrig, endlos der Fluss der Töne, zielgerichtet und sinnlich der Höhepunkt. Die mediterrane Dramatik drängt sich dennoch nie in den Vordergrund. Immer verdeutlicht sie das emphatische Erleben und Begehren der handelnden Personen: Der Beginn des 2. Aktes schmeckt bitter nach Ortruds „furchtbar tödlich Gift“. Vor dem Münster spiegelt das Orchester die nagende Ungewissheit und Neugier in Elsas Unterbewusstsein. Da bringt selbst ein Vergleich mit der klassischen Referenz, Rudolf Kempes zweite Einspielung von 1962/63, kein böses Erwachen.
Allerdings nur solange man die Augen schließt und dem Orchester zuhört: Die Elsa von Cheryl Studer ist gleichbleibend makellos, in der Live-Situation aber doch persönlicher als in ihrer Studio-Produktion an der Seite von Siegfried Jerusalem. Und die Stärken ihrer Gegenspieler Hartmut Welker und Dunja Vejzovic liegen eher auf darstellerischer Seite. Da fällt einzig Robert Lloyds nobler König Heinrich aus dem Rahmen. Die hausbackene Inszenierung bietet alles, was einem Wiener Opernabende manchmal so lang werden lässt: Minutenlanges Stehen und Liegen in historischen Kostümen. Dass Oper eine aufregende, lebendige Kunst mit Bezug zur Gegenwart ist, ist selten zu spüren. Erzählt „Lohengrin“ so gar nichts über die Befindlichkeiten heutiger Menschen?