Gerade erschien auf DVD einer der schönsten Kostümfilme der frühen siebziger Jahre: „Maria Stuart“ (Winkler Film) mit Vanessa Redgrave als der Königin von Schottland, die auch manchen Dichterfürsten hierzulande zu einem Theaterspiel angeregt hat. Die melancholische Musik zu diesem „Period Picture“ schrieb der wohl berühmteste britische Filmkomponist aller Zeiten: John Barry. Fast überflüssig zu erwähnen, dass diese Tatsache im Covertext natürlich nicht erwähnt wird. Dabei wäre das vielleicht wichtiger gewesen als die Hinweise auf die Golden-Globe-Nominierungen, die der Film erhielt. Anfang der 70er-Jahre jedenfalls war John Barry auf dem ersten Höhepunkt seiner Karriere gewesen. Bis dahin hatte er alle James-Bond-Filme orchestrieren dürfen, von „Dr. No“ bis zu „Diamonds Are Forever“. Und er war der „König Midas“ des Filmsongs geworden: von Shirley Basseys „Goldfinger“ bis zu „We Have All the Time in the World“, dem Song, den er für Louis Armstrong schrieb.
„Dun da da da dun, dun dun dun dun da da da dun“, kommt Ihnen das bekannt vor? Vermutlich fast jeder Erdenbürger, der mit der westlichen Welt in irgendeiner Weise vernetzt war, hat diese Melodie schon einmal gehört in einem der Filme mit dem berühmtesten Geheimagenten der Welt: Bond, James Bond. Offiziell komponiert hatte es für den ersten Bond „Dr. No“ wohl Monty Norman, aber orchestriert – und veredelt – wurde es von John Barry, der mit seinen „John Barry Seven“ schon Anfang der Sixties einige Hits in den britischen Charts hatte, als man ihn zu „Dr. No“ holte. Barry bekam ein Time Sharing Sheet und sollte auf Basis von Normans Material ein Titelstück kreieren. John Barry orientierte sich dabei an Henry Mancinis „Peter Gunn“-Riff und Nelson Riddles „The Untouchables“, und das legendäre Gitarrenintro klaute er von einem eigenen Stück, „Bee’s Knees“. Zusammen mit einem Orchester aus fünf Saxophonen, neun Blechbläsern, einer Sologitarre – gespielt von Vic Flick – und einer Rhythmussektion nahm er das Stück für die Film- und Plattenfirma „United Artists“ in den legendären Abbey Road Studios auf.
Danach war Monty Norman bei Bond aus dem Rennen. Und die Initialen „J.B.“ standen in Zukunft nicht nur für James Bond, sondern auch für John Barry. Insgesamt zwölfmal sollte danach Barry „im Geheimdienst Ihrer Majestät“ arbeiten: von „Liebesgrüße aus Moskau“ bis zu „Der Hauch des Todes“. Er durfte die Abenteuer von Sean Connery, dem glücklosen George Lazenby, dem selbstironischen Roger Moore und Timothy Dalton vertonen. Und die Songs komponieren für die traumhaften MainTitle-Sequenzen von Robert Brownjohn und Maurice Binder, die allesamt zu internationalen Hits wurden: „Goldfinger“, „Thunderball“, „You Only Live Twice“, „Moonraker“ oder „The Living Daylights“.
Durch „007“ wurde der in York geborene Musiker zum vielbeschäftigten Filmkomponisten. In den Sixties komponierte er jazzige Scores für den Beatles-Regisseur Richard Lester („The Knack“, „Petulia“), sinfonische Musik für „Born Free“ und „The Lion in Winter“, für die er Oscars erhielt, oder melancholische Themen für den „New Hollywood“-Klassiker „Midnight Cowboy“. Aus den 70er-Jahren sind zu erwähnen die großartige Musik für Nicolas Roegs „Walkabout“, Blake Edwards’ „The Tamarind Seed“, Richard Lesters „Robin and Marian“ oder das erste „King Kong“-Remake mit Jessica Lange. Großartige Scores gelangen ihm dann noch in den 80er-Jahren mit „Jenseits von Afrika“ und „Der mit dem Wolf tanzt“, für die er seine letzten Oscars erhielt. Als am 30. Januar 2011 dann aber vom Ableben John Barrys in der Weltpresse berichtet wurde, spukte bei mir eine andere Filmmusik von ihm herum: „Body Heat“, das Blueprint für alle jazzig-schwülen Scores, die danach noch folgen sollten. Keiner hat ihn in seiner Nachrufen erwähnt, weil der Soundtrack nur in einer kleiner Auflage erschienen war und der Neo-Film-Noir mit William Hurt und Kathleen Turner immer ein Geheimtipp geblieben ist. That’s showbiz!