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Informatives Geplauder an Originalschauplätzen

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Neue Musikvermittlungs-DVDs der San Francisco Symphony – Fortsetzung der musica-viva-Reihe
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Keeping Score. Revolutions in Music. Beethoven’s Eroica / Stravinsky’s Rite of Spring / Copland and the American Sound. San Francisco Symphony (3 einzelne DVDs), Vertrieb: Musikwelt Tonträger

Infotainment nennt man das wohl. Und wenn es gut gemacht ist und der Sache dient, ist auch nichts dagegen einzuwenden. Michael Tilson Thomas und seine San Francisco Symphony sind es, die mit diesen drei DVDs der Serie „Keeping Score“ auf den Spuren der erfolgreichen Einführungen Simon Rattles wandeln (7 DVDs, Arthaus, siehe nmz 10-05 und 4-06). Revolution der Klänge hieß die in der deutschen Version und auch Tilson Thomas geht es um musikalisch Revolutionäres. Doch wo Rattle auf bestimmte Themen bezogen große Pa noramen aufzeigte, konzentriert MTT – so die amerikanische Sprachregelung für den Chef aus San Francisco – sich auf Einzelwerke oder, im Fall Coplands, auf einen Komponisten.

Der filmische Aufwand, der hier, von Sponsoren offenbar großzügig unterstützt, betrieben wurde, ist nicht unerheblich. Geht es um die Eroica, sehen wir MTT am Uraufführungsort, dem Palais Lobkowitz, oder in Heiligenstadt, dem Stravinsky des Sacre wird nach Russland und Paris nachgereist. Am Ort der Skandal-Premiere 1913, im Théâtre des Champs-Elysées angekommen, schlägt diese Suche nach den Originalschauplätzen tatsächlich um in eine optische Aura, die den Werkporträts Nachdruck und Authentizität verleiht.

Diese profitieren im Vergleich zu Rattle natürlich von der Einzeldarstellung. Wo dieser es auf der zweiten DVD („Rhythmus“) dabei belassen muss, das Unerhörte am Sacre kurz zu beschwören, um dann zu einem künstlerisch bemühten Slow-Motion-Tanz unter freiem Himmel Ausschnitte zu dirigieren (die DVD aus San Francisco greift sinnvollerweise auf die rekonstruierte Originalchoreografie zurück), kann Tilson Thomas ins Detail gehen. Durch das intensive Einbeziehen von Orchestermusikern, die etwa die Schwierigkeit bestimmter Passagen plastisch demonstrieren, werden die Filme gleichzeitig – und das dürfte ganz im Sinne des Orchestermarketings sein – zu Porträts des Klangkörpers. Auch die im Vergleich zu MTTs locker geplauderten, aber prägnant formulierten Kommentaren eher oberflächlichen Statements der Musiker zu den Stücken (der Sacre ist ja so sexy!), sind in diesem Sinne zu verstehen.

Inhaltlich schwächer fällt der Eroica-Film aus, der sich zunächst sehr eng am musikalischen Verlauf orientiert, um dann aber in weniger ergiebige Details abzudriften. So wäre im Zusammenhang mit dem Variationenthema des Finalsatzes ein Verweis auf die Prometheus-Ballettmusik für die Deutung ergiebiger gewesen als die ausführliche Würdigung des pianistischen Wettkampfs mit Daniel Steibelt. Auch die als kompletter Konzertfilm enthaltene Interpretation kommt mit flotten Tempi ein wenig stromlinienförmig daher.

Ganz in ihrem Element sind MTT und sein Orchester, wenn es um die Würdigung Aaron Coplands geht. Plastisch wird seine Entwicklung vom Enfant terrible zum anerkannten Großmeister und zur zentralen integrativen Figur der amerikanischen Musik nachgezeichnet, gipfelnd in einer herrlichen Deutung der kompletten Appalachian-Spring-Musik in der originalen Kammerbesetzung.

Getrübt wird der insgesamt erfreuliche und unterhaltsame Eindruck, den diese Filme hinterlassen, von dem Umstand, dass als deutsche Übersetzung lediglich eine dilettantische Untertitelung zur Verfügung steht. Die freilich köstliche Stilblüten zeitigt, wenn etwa von Strawinskys „ekstatischer Furche“ die Rede ist („ecstatic groove“)! Ein ausführliches Bild von der Serie kann man sich übrigens auf der Internetseite des Projekts machen: www.keepingscore.org

Musica Viva – Forum der Gegenwartsmusik, Teil 5: Helmut Oehring, Weit auseinander liegende Tage, Wergo NZ 61; Teil 6: Hans Werner Henze, „Was ich suche, ist Wohlklang“, Wergo NZ 62; Teil 7: Iannis Xenakis, Mythos und Technik, Wergo NZ 63

Auf bewährtem Pfad schreitet indes die musica-viva-Serie bei Wergo fort. Wie schon in den bisher erschienenen Folgen hängt die Prägnanz der Werk­einführungen maßgeblich von den Gesprächspartnern der Interviews ab, die von längeren Ausschnitten unterbrochen werden, wobei die Stücke natürlich auch als komplette Konzertmitschnitte verfügbar sind.
Helmut Oehring erweist sich als wohltuend unprätentiöser Informant über seine Werke „Das Blaumeer“, „Verlorenwasser“ und „Wrong“, die allesamt als Versuche zu verstehen sind, die Gebärdensprache als seine Muttersprache in Musik zu setzen, mit Musik zu konfrontieren.
Auf der Xenakis-DVD (die außerdem die Werke „Syrmos“, „Synaphai“ und „Nekuia“ enthält) besticht vor allem die Ehrlichkeit und Genauigkeit, mit der Kontrabassist Frank Reinecke seinen Zugang zu dem exorbitanten Solostück „Theraps“ beschreibt. Einen interessanten Einblick in Xenakis’ Arbeit als Architekt erlaubt außerdem ein Interview mit Florian Rist zum berühmten Expo-Pavillon von 1958.

Die anlässlich des Geburtstagskonzerts im Mai 2006 entstandene, Hans Werner Henze gewidmete DVD lebt vor allem von den ausgezeichneten Interpretationen der „Antifone“, der Nachtstücke und Arien sowie der Orchesterwerke „Fraternité“ und „Appassionatamente“. Mit einem Duett aus „König Hirsch“, das in allen bisherigen Produktionen der Oper gestrichen worden war, enthält sie gar einen Uraufführungsmitschnitt.

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