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Eberhard Schoener: Short Operas. Andrea Bocelli, Laurence Gien, George Kochbek, Kurt Moll, Gianna Nannini, Nidia Palacios, Helen Schneider; United Philharmonic Orchestra Budapest, Eberhard Schoener.BMG Ariola 74321 35507 2 Im Rahmen der Klassik Komm. 1996 Anfang September in Köln präsentierten Eberhard Schoener und seine Plattenfirma zwei „Short Operas“, Ergebnis einer über zwei Jahre dauernden Auseinandersetzung mit der Gattung. „Mit Opern verbindet mich seit jeher eine Haßliebe“, so beschreibt der Komponist seine Beziehung zur „Königsdisziplin“. „Ich hasse sie, weil sie alle zu lang sind und deshalb langweilig werden. Und ich liebe sie, weil sie große Gefühle vermitteln.“ Der vernichtende Befund zum aktuellen Zustand der Gattung ist Fazit der langjährigen Tätigkeit Schoeners als Leiter der Münchner Kammeroper. Wieder ein breites Publikum ins Opernhaus zu holen, das dort „nicht erzogen, sondern emotionalisiert“ werden soll, das ist sein Wunsch. Dabei will er an die Operntradition des 19. Jahrhunderts, speziell des italienischen Belcanto, anknüpfen. „Die Oper wird in den nächsten Jahren wiedergeboren“, so Schoener auf der Klassik Komm. Und seine „Short Operas“ – auf die beiden in Köln vorgestellten werden weitere folgen – sollen dabei Geburtshilfe leisten. Der Name ist dabei Konzept: die erste Kurzoper dauert 32, die zweite 23 Minuten. Ein herkömmliches Opernorchester wird hier und da mit Instrumenten aus Pop- und Rockmusik angereichert. Die musikalische Sprache bleibt in jeder Hinsicht traditionell, denn „Gefühle sind nur durch Tonalität zu vermitteln“, glaubt Schoener. Ebenso bleibt es bei den operntypischen Formen von Ouvertüre, Rezitativ, Arie, Ensemble, Chorszene. Am unkonventionellsten wohl noch die Besetzungsliste: neben klassisch ausgebildete Stimmen treten Vokalisten der Rockszene, die laut Schoener eher Zugang zum jungen Publikum haben, das er besonders im Blick hat. Und weil die Oper das „Multimedia-Ereignis vergangener Jahrhunderte“ war, darf natürlich die CD-ROM-Spur für den interaktiven Zugriff am PC nicht fehlen, doch dies vielleicht weniger als künstlerische Notwendigkeit als klug kalkulierte Verkaufspolitik in Zeiten virtueller Massenhysterie. Und das klingende Resultat? Ist ein ziemlich eklektizistisches Gebräu aus Puccini und Holst, dazu eine kräftige Portion Filmmusik à la „Quo vadis“, „Out of Africa“ und Coppolas „Dracula“ sowie eine Prise Alan Parsons Project und Mike Oldfield. Nichts Neues also, sondern alles schon dagewesen – bloß besser. Die einzelnen Nummern reihen sich in monotonem Fluß und unmotiviert aneinander, ohne Vielfalt der Affekte, ohne gestischen und atmosphärischen Reichtum, ohne großen Bogen. Am schlimmsten vielleicht: es fehlen einfach die Themen, die eine Oper nun mal braucht, um Intensität des Ausdrucks zu entwickeln, um in ihren Bann zu ziehen. Genau dies aber tun die beiden eingestreuten Arien von Monteverdi und Purcell. Der Kontrast hebt die Schwächen der Musik Schoeners um so krasser hervor. Die erste Kurzoper „Palazzo dell’ Amore“ enttäuscht noch dazu durch ihre verquaste Handlung: Amor und Psyche treffen auf Romeo und Julia, um zusammen die Unsterblichkeit der Liebe zu besingen. Kein sehr innovativ gewählter Stoff, wenn es denn darum gehen soll, alte Opernzöpfe abzuschneiden und Bezüge zur Lebenswelt eines heutigen Publikums herzustellen, zumal wenn das textliche Resultat die bloße Aneinanderreihung von Wortblasen und platten Metaphern ist. Erheblich bessere Chancen dürfte in dieser Hinsicht das zweite Stück „Cold Genius“ haben, das den fiktiven letzten Tag im Leben des Kontratenors Klaus Nomi, 1982 erstes prominentes AIDS-Opfer, zeigt und dabei Themen wie die Vereinsamung durch Krankheit, die totale Kommerzialisierung der Kunst oder die Pervertierung der visuellen Medien anschneidet. Sängerisch stellt sich der von „Pavarotti & Friends“ bekannte Effekt ein: Neben klassisch ausgebildeten Stimmen (hervorzuheben besonders der Mezzo der Argentinierin Nidia Palacios, der Belcanto-Schmelz des italienischen Tenors Andrea Bocelli sowie der sonore Baß des legendären Kurt Moll) wirken fistelige Popstimmen einfach peinlich, allen voran hier Gianna Nannini als Romeo in ‚verkehrter Hosenrolle‘, als angenehme Ausnahme die vielseitige Helen Schneider.

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