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Jaco Pastorius auf DVD.
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Lullaby of Bassland – Jaco Pastorius und andere Jazzheroen im Filmporträt

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„Give me a gig“: Das sind die ersten Worte, die man in diesem Film von Jaco Pastorius hört. Es ist seine Antwort auf die Frage, was er von den Lobeshymnen halte, die allerorten auf ihn gesungen werden. Die Nachfrage, wie es zu diesem Punkt habe kommen können, beantwortet er dann nur noch mit einem leicht verstörten, unendlich traurigen Gesichtsausdruck. Es ist das Jahr 1984 – Pastorius hat schon eine grandiose Karriere hinter sich, aber keine Zukunft.

Paul Marchand und Stephen Kijak setzen diese Szene aus einem Fernsehinterview an den Beginn ihres knapp zweistündigen, materialreichen Films Jaco und lösen damit unwillkürlich eben diese Frage aus: Wie konnte es dazu kommen, dass der anerkanntermaßen größte E-Bassist seiner Zeit mit Anfang Dreißig vor dem Nichts stand? Mit wunderbaren Familienvideos und Fotos geht es hinein in Pastorius’ Kindheit und Jugend in Florida. Die frühe Verantwortung als Vater stachelt seinen ohnehin gewaltigen Ehrgeiz weiter an. Er ist gerade dabei, sich auch den Kontrabass zu eigen zum machen, als dieser eines morgens aufgrund der Feuchtigkeit unspielbar geworden in der Ecke liegt. Kurzerhand hebelt er mit einem Messer die Bünde aus seinem Fender-Instrument und entwickelt fortan das Spiel auf dem Fretless Bass zur Perfektion: seinen unnachahmlich singenden Ton, die unfassbare Geschmeidigkeit, die zerbrechlichen Flageolet-Gebilde, mit denen er das Instrument neu erfindet.

Mit unzähligen Weggefährten haben die Filmemacher gesprochen und so werden die entscheidenden musikalischen Etappen – darunter seine Zeit bei Wayne Cochran, die Zusammenarbeit mit Weather Report oder mit Joni Mitchell und seine Soloprojekte – präzise ausgeleuchtet. Bezeichnend etwa die Einschätzung Bobby Thomas’ zum Verhältnis Zawinul–Pastorius: „wie zwei Kobras in einem sehr kleinen Käfig …“ Und langsam häufen sich die Anzeichen, dass Jaco der Erwartungshaltung des Publikums und den familiären Problemen nicht mehr standhält. Seine bipolare Persönlichkeitsstörung tritt mehr und mehr zu Tage: Nach einem Klinikaufenthalt landet er in der selbst gewählten Obdachlosigkeit und wird an einem Septembermorgen 1987 von einem Türsteher zusammengeschlagen, nach neun Tagen im Koma stirbt Pastorius. Die vielen Ausschnitte grandioser Live-Auftritte helfen über die Erschütterung hinweg, die der Film auslöst. Auf einer zweiten DVD sind die vielen Interviews in vollständiger Länge zu sehen. (Galileo)

Ein anderer wegweisender Jazzbassist ist Eberhard Weber. Zu seinem 75. Geburtstag im vergangenen Jahr gratulierten musikalische Weggefährten zusammen mit der SWR Big Band mit einem hochkarätigen Jubilee Concert. Webers Kompositionen schillerten dabei in allen Farben, wobei Gary Burtons Vibraphon und das Englischhorn von Paul McCandless besonders hell leuchteten. Weil Weber seit einem  Schlaganfall nicht mehr selbst spielen kann, arrangierte Pat Metheny außerdem eine perfekt getimte Hommage, bei der die Big Band mit Archivaufnahmen des Geehrten auf ganz selbstverständliche Weise verschmolz. Gut, dass dieses Konzert in Bild und Ton festgehalten wurde. (SWR Jazzhaus)

Dem „Shearing Touch“ auf der Spur war die Filmemacherin Jill Marshall im Jahr 1994. Lullaby of Birdland hat sie ihr 50-minütiges Porträt natürlich genannt, nach George Shearings unsterblicher Erfolgsnummer. Der charmante und stilbildende Pianist kommt dankenswerterweise ausführlich selbst zu Wort, plaudert vom Klavier aus, an dem er immer wieder etwas demonstriert, mit dem Journalisten Melvyn Bragg. (Arthaus)

Bonusmaterial sucht man auf der Shearing-DVD ebenso vergebens wie auf der Scheibe mit Blood on the Fields, einem ebenfalls nur knapp einstündigen Porträt des Trompeters Wynton Marsalis von Susan Shaw. In zwei Teile gegliedert, umkreist der erste in stimmungsvollem, New York typischem Schwarz-Weiß gefilmt das titelgebende Jazz-Oratorium, für das Marsalis 1997 den Pulitzer-Preis gewann. Viel mehr als ein paar jazzphilosophische Statements und Stimmungsbilder von den Studioaufnahmen kommt dabei aber nicht heraus. Im zweiten, nicht wesentlich ergiebigeren Teil geht es dann zurück zu Marsalis’ Wurzeln in New Orleans. (Arthaus)

Auf den Spuren Cole Porters wahndelt der belgische Bass-Bariton Wilfried van den Brande in Looking for Cole. Er hat es sich in den Kopf gesetzt einen Großteil von Porters Songs mit Symphonieorchester aufzuführen und aufzunehmen. Entsprechend wenig jazzig geht es in der Doku zu, immerhin hat der Sänger einige interessante Gesprächspartner vors Mikro bekommen. Bezeichnend, dass von den leider wenigen Statements des Porter-Experten Robert Kimball vor allem eines über van den Brande im Gedächtnis bleibt: „He’s such a good salesman…“ (EuroArts)

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