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Giacomo Puccini. La Rondine (Gesamtaufn. ital.), Angela Georghiu (Magda), Robert Alagna (Ruggero), William Matteuzzi (Prunier/ Un uomo che fischia), Toby Spence (Gobin), Ricardo Simonetti (Périchaud), u.a., London Voices, London Symphony Orchestra, Antonio PappanoEMI 5 56338 2 (2 CD) DDD
Der Wiener Auftrag des Jahres 1913, für das Carl-Theater eine komische Oper zu komponieren, förderte ein Bühnenwerk, das Puccini-Fans häufig geringschätzig achten. Ist doch die 1918 in Monte Carlo uraufgeführte (und erst 1920 in Wien erklungene) „La Rondine“ aufgrund des – verloren gegangenen – deutschsprachigen Librettos, „Die Schwalbe“, von Arthur Maria Willner und Heinz Reichert, deutlich am Genre der Wiener Operette orientiert: da gibt es ein Liebespaar und ein Buffopaar, Herrin und Dienerin tauschen für einen Ball ihre Verkleidung, – ganz wie in der „Fledermaus“.
Darüber hinaus gibt es deutliche Parallelen zu „La Traviata“: hier wie dort liebt ein junger Mann (Ruggero) eine Kurtisane (Magda), hier wie dort versuchen sie auf dem Lande, fern von Paris, den Traum ihrer Liebe auszuleben, bis das Geld des jungen Mannes knapp wird. Und hier wie dort, gibt es kein Happy End, da die vom jungen Mann angestrebte Ehe mit der Geliebten, aufgrund von deren Vorleben, den Eltern gegenüber nicht tragbar erscheint. „Ähnlich wie der Rosenkavalier, nur unterhaltsamer und mehr organisch“, hatte der Komponist versprochen, werde seine Partitur. Deutlich auf dem Idiom der „Bohème“ fußend, bewegt sich seine Komposition in schwebender Tonalität, mit unaufgelösten Dissonanzen und parallel bewegten Akkorden. Kompositorischer Höhepunkt ist der zweite Akt, mit der Koppelung diverser Handlungsebenen im Tanzcafé Bullier. Hier mischt Puccini Walzer mit modernen Tänzen, wie Slowfox und Tango. Gleichwohl erreicht er kompositorisch und dramaturgisch nicht die Dichte der deutlich als Vorlage dienenden „Casa di maschere“ im zweiten Akt von Franz Schrekers „Der ferne Klang“.
Den tragischen Ausgang der Oper hat der Komponist wiederholt umgearbeitet: einmal verläßt Ruggero aufgrund eines anonymen Briefes seine Geliebte, in zwei anderen Versionen verläßt ihn Magda aus unterschiedlichen Beweggründen. Wie die 30 Jahre zurückliegende RCA-Einspielung unter Francesco Molinari-Pradelli mit Anna Moffo, so fußt auch die Neueinspielung der EMI, der ein viersprachiges Libretto beigegeben ist, auf der ersten Fassung. Im ersten Akt ist die Aufnahme jedoch ergänzt um die nachkomponierte Paris-Arie des Ruggero, die Puccini 1917 für die Aufführungen in Mailand und Bologna eingefügt, für die Wiener Fassung aber wieder gestrichen hat.
Auch für die abweichenden Fassungen des Endes der „Rondine“ wäre auf der CD-Edition noch Raum gewesen. Statt dessen bringt die zweite CD als Füllsel Vorspiel, Tenorszene und Chor aus „Le Villi“, – wohl um den wirklich großartigen, kernigen Tenor von Roberto Alagna ein weiteres Mal – in der namensgleichen Partie des Roberto – herauszustellen. An seiner Seite bewährt sich, die Schwalbe der Moffo mühelos überflügelnd, seine Gattin Angela Georghiu. Sie ist stimmgewaltig, intensiv und insbesondere glaubhaft, selbst im sentimentalen Verzicht. Dem Hollywood-Gesetz folgend, daß eine Kette so stark ist, wie ihr schwächstes Glied, sind auch die anderen Partien optimal besetzt. Inva Mulva macht aus der plappernden Lisette, deren Weg zur Bühne als Chansonette kläglich scheitert, eine köstliche Paradefigur, William Matteuzzi leiht dem verliebten Dichter Prunier Tiefenschärfe, über die komische Seite dieser Partie hinaus. Durch Koppelung der zahlreichen Nebenrollen wird die Anzahl der Mitwirkenden geschickt reduziert, ohne daß dies dem Hörer akustische Identifikationsprobleme bereiten würde. Technisch mit breiter Stereowirkung, unverfälscht direkt eingefangen, verzichtet die Aufnahme auch nicht auf Spielgeräusche. Selbst wo dies in der Partitur nicht vorgeschrieben, aber dramaturgisch sinnfällig ist, erklingt ein Lachen der handelnden Personen. So wird der Eindruck, bei dieser Studio-Produktion handele es sich um eine äußerst lebendig inszenierte Aufführung, noch verstärkt.