Händel: Ariodante – Oper in 3 Akten; Ann Murray (Ariodante), Joan Rodgers (Ginevra), Julie Kaufmann (Dalinda), Christopher Robson (Polinesso), Paul Nilon (Lurcanio), Umberto Chiumno (König von Schottland), James Anderson (Odoardo), Chor und Orchester der Bayerischen Staatsoper, Ivor Bolton / Farao 3CDs B 108 030 (2:59:42) 2000
Händel: Ariodante – Oper in 3 Akten; Solisten s.o.; Chor und Orchester der English National Opera, Ivor Bolton / Arthaus Musik DVD 100 040 (ca. 3 Std.) 1996
Die sich unaufhaltsam mit Siebenmeilenstiefeln weiterentwickelnde digitale Aufnahmetechnik beschert Opernfreunden ein besonders attraktives Vergleichserlebnis. Händels Oper „Ariodante“ – in der mit breiter Farbpalette komponierten Schilderung zwischenmenschlicher Seelenkonflikte und -stimmungen gehört sie zu Händels großartigen Bühnenwerken – erschien einmal bei Arthaus Musik als Opernaufnahme auf DVD, zum anderen bei Farao als musikalische Live-Aufnahme auf drei „normalen” CDs. Das wurde möglich, weil die Welsh National Opera das Werk zusammen mit der Bayerischen Staatsoper München produziert hat. Die Oper wurde 1993 zum ersten Mal an der English National Opera gegeben und 1996 wieder aufgeführt – dabei entstand die DVD-Aufzeichnung – und bei den Münchener Opernfestspielen 2000 mit fast gleicher Besetzung mehrfach gegeben – die Januar-Premiere diente als Grundlage der CD-Produktion.
Die 3-CD-Kassette ist ein Hörgenuss erster Qualität, bietet aber auch mehr an Informationen zum Werk, weil etwa das ganze Libretto viersprachig beiliegt. Felix Gargerle, selbst Mitglied des Orchesters der Bayerischen Staatsoper und einer der beiden Inhaber des Farao-Labels, zeichnet verantwortlich für das musikalische Ergebnis (auch wenn er beim Mitschnitt am Mischpult und nicht im Bühnengraben saß): Er macht kein Hehl daraus, dass er das „Rohmaterial“ der Aufzeichnung mannigfach und oft ganz entschieden korrigierend so bearbeitet hat, dass das musikalische Resultat nach seiner Überzeugung ein Optimum dessen wiedergibt, was diese Oper bis zum Zerreißen mit Leben erfüllt. Und das lässt sich hörend erfahren: Was die sieben Protagonisten des Werks in ihren Partien an Qualen und Freuden, an Zorn und Verzweiflung, Lust und Leid stimmlich auszudrücken imstande sind, greift ans Herz, wobei zwar das Publikum im original eingefangenen Beifall vor allem die atemberaubenden Koloraturen feiert, die leisen Töne der Resignation und Untröstlichkeit aber an Eindringlichkeit diesen Ausbrüchen nicht nachstehen. So findet sich der – am besten im Textbuch mitlesende – Zuhörer schnell im Bann einer emotional hoch aufgeladenen Handlung.
Greift er dann aber zur DVD, erschließt sich ihm die Dramatik des Operngeschehens in einer zusätzlichen Dimension – er kann nicht nur Mienenspiel und Empfindungsausdruck der Protagonisten hautnah verfolgen, sondern er wird beim sichtbaren Ablauf der szenischen Handlung unwillkürlich so in ihr Schicksal eingebunden, wie das im Miterleben eines Operngeschehens auf der Bühne stets geschehen müsste. Wichtig ist dies Bildhaft-Erzählende vor allem in den vielen Balletteinlagen, die auf der CD „nur” als Musik zu erleben sind. Das Auge wird belohnt durch eine ausgezeichnete Kameraführung, die in bezwingender Mischung aus Totale, Detail, langen Einstellungen und seltenen kurzen Schnitten prall gefülltes, glaubhaft empfundenes und schauspielerisch hinreißend gestaltetes Leben auf der Bühne vermittelt. Das fehlende Libretto wird durch erläuternde Texttafeln während des Opernverlaufs und auch durch dreisprachig anwählbare Untertitel ausreichend ersetzt; einzelne Nummern lassen sich dem Beiheft entnehmen und anwählen, das auch eine Handlungs-Synopsis und weitere Erläuterungen enthält. Beide Aufnahmen halten also Sternstunden fest.