Vielleicht hätte das International Music + Media Centre (IMC) beim Regisseur Reiner E. Moritz lieber eine aktuelle Dokumentation in Auftrag geben sollen. Was stattdessen unter dem Titel „Music in the Air. A History of Classical Music on Television“ anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Wiener Brancheninstitution bei Arthaus erschienen ist, gleicht doch eher einem Sampler, einem „Best-of“ des Klassikfernsehens seit den 1930-Jahren.
Zu verführerisch lagen wohl die sonst – so Moritz im Booklet stolz – „sündhaft teuren Ausschnitte“ in greifbarer Nähe, stammen sie doch allesamt von den Mitgliedern des IMC, darunter der BBC, Universal oder der Metropolitan Opera. So zappen wir uns also, von einem wenig tiefschürfenden Kommentar begleitet, durch die prominenten Schnipsel aus Neujahrskonzerten, Celibidache-Proben, Bernsteins „Young People’s Concerts“ und „Night of the Proms“-Abenden, werden zwischendurch durch Pink Floyd und einen völlig verlorenen Thelonious-Monk-Schnipsel an die Klassizität von Rock und Jazz erinnert, um schließlich bei einer Opernübertragung im Multiplex-Kino zu landen. Der eine oder andere nachdenkliche Interviewausschnitt ist schnell von der nächsten technischen Errungenschaft, der nächsten Anekdote weggewischt. Was bleibt, ist ein vages Gefühl televisionärer Opulenz bei gleichzeitiger Leere.
Diese wieder mit Leben zu füllen, dafür könnte kaum etwas besser geeignet sein als die weiteren Gouldiana, mit denen wir anlässlich des 80. Geburts- und 30. Todestages des Fernsehenthusiasten versorgt werden (siehe auch nmz 2/2012). Dabei vermag das Fiktivporträt „Thirty Two Short Films about Glenn Gould“, mit dem François Girard 1993 einiges Aufsehen erregte (Sony Classical), zwar durch seine einfallsreiche Dramaturgie und die gute filmische Umsetzung zu überzeugen, dennoch trägt es – gerade auch im Spiel des Gould-Mimen Colm Feore – mehr zur Vernebelung und weiteren Mythisierung des enigmatischen Genies denn zu dessen Verständnis bei.
Ein Meilenstein dokumentarischer Aufarbeitung ist dagegen Michele Hozer und Peter Raymont mit ihrem Film „Genius Within – The Inner Life of Glenn Gould“ gelungen. Unter dem etwas reißerischen deutschen Titel „Glenn Gould – Genie und Leidenschaft“ (mindjazz/Alive) erfahren wir hier ohne billigen Voyeurismus wirklich Substanzielles über den Menschen hinter der Medienfigur, wobei die Offenheit, mit der Cornelia Foss erstmals über ihre Liebesbeziehung zu Gould spricht, nur ein Aspekt, wenn auch ein biografisch besonders spektakulärer ist. Sie war mit beiden Kindern schon zu ihm nach Toronto gezogen, die Scheidung von ihrem Mann, dem Komponisten Lukas Foss, war geplant, bevor das „very straightforward triangle“ (O-Ton Cornelia Foss) sich dann schließlich doch zugunsten der bestehenden Ehe wieder auflöste. Goulds Exzentrik und sein Medikamentenmissbrauch habe mehr und mehr seine Persönlichkeit überschattet, so formuliert es die prominente Lebensabschnittsgefährtin.
Faszinierende musikalische Substanz liefert die Sony-Box mit den Bach-Filmen, die Gould unter der Regie seines Dialogpartners Bruno Monsaingeon zwischen 1979 und 1981 produzierte (88691975049). „Die Frage des Instruments“ erörtert der Steinway-Verfechter auch anhand der von ihm wenig geliebten Chromatischen Fantasie, um dann ein umso flammenderes Plädoyer für die vierte Partita zu halten. Bachs Entwicklung als Fugenkomponist verfolgt er bis hin zu einem mit extremer innerer Beteiligung gestalteten Contrapunctus XIV aus der „Kunst der Fuge“.
Die dritte DVD schließlich enthält die kompletten Goldberg-Variationen, deren zweite Studioaufnahme parallel zum Film entstand. Der insgesamt ruhigere, nach innen gewandte Zugriff, der auch andere Werke in der Serie im Vergleich zu früheren Versionen auszeichnet (E-Dur-Fuge aus dem II. Band des Wohltemperierten Klaviers!), verleiht dem Film eine ganz eigene, fast unwirkliche Aura der Versenkung – Gouldberg total.
Etwas von der Aura eines legendären Interpreten versucht auch die siebte Folge aus der DVD-Serie der Kronberg Academy einzufangen (www.kronbergacademy.de). Das gelingt im Fall der Viola-Institution Yuri Bashmet mit einem konventionell zwischen Workshop- und Interview-Ausschnitten wechselnden Porträt bis zu einem gewissen Grad, größere Faszination geht aber von den neueren und älteren Konzertmitschnitten aus, darunter zwei Schumann’sche „Märchenbilder“ mit Svjatoslav Richter.
Dem Gegenstand angemessen unkonventionell näherte sich dagegen Hans G Helms, als er John Cage im Jahr 1972 gut vier Wochen lang begleitete. Sein aus dem Material collagierter Film „Birdcage. 73’20.958’’ for a Composer“ (Wergo MV 0806 5) fängt einiges von Cages künstlerischem Selbstverständnis ein, ohne den Komponisten in ein Drehbuchgerüst einzusperren. Es ist Cages gefiederter Gesprächspartner, der in einem Käfig sitzt und dem dieser beharrlich seinen Namen zu entlocken versucht.