Höhenmusik in des Wortes doppelter Bedeutung gilt es zu preisen: Hinreißendes erklingt auf rund 1.500 m Alpenhöhe im schweizerischen Verbier. Dass sich hier jeden Sommer die „Crème de la Crème“ der jungen Musikszene versammelt und in Meisterkursen, Vorlesungen, Proben und Aufführungen die internationale Jugend zu Höhenflügen animiert, sich aber auch selber mit Begeisterung ins Musikalische Getümmel stürzt, weiß inzwischen die ganze Musikwelt. aber wer kommt schon dorthin? Was sich nun im vergangenen Jahr anläßlich des 10. Geburtstags des Festivals ab„spielte“, gehört zum Faszinierendsten, was man als Musikenthusiast erleben kann. Und das weiß ich nicht, weil ich dabeiwar, sondern weil das Ereignis auf einer DVD-Video festgehalten wurde, die es im Surroundsound nacherleben lässt.
Vor 15 Jahren hatte ich anlässlich eines beruflichen Aufenthalts in den USA Gelegenheit, im Public-Radio-Sender WLRH 89,3 in Huntsville/Alabama zwei Jahre lang an jedem Montagabend eine Sendung mit meinen eigenen Schallplatten live zu moderieren. Zu meiner Sammlung gehörte eine CBS-LP (# 73227) mit der Aufzeichnung eines „Monster-Konzerts“ vom 17.01.1972 der Eastman School Of Music in Rochester/New York, in dem sich - im äußersten Fall - sechzehn Pianisten bemühten, auf zehn Flügeln mit 160 Fingern gleichzeitig die Tasten zu treffen. Eines der Stücke - „Stars And Stripes Forever“ - wurde so oft gewünscht, daß meiner schwarzen Scheibe Gebrauchsspuren anzuhören sind; aber auch Rossinis Ouvertüren zu „Semiramis“ und „Wilhelm Tell“, die Polka „Unter Donner und Blitz“ oder der Walzer „An der schönen blauen Donau“ von Strauß wurden ebenso wie ein paar Feuerwerks-Piècen (wie „La Gallina“ und „Ojos Criollos“ von Gottschalk auf 8 Klavieren vierhändig) immer wieder verlangt.
Wer beschreibt mein freudiges Erstaunen, als ich feststellte, daß beim Verbier-Jubiläumskonzert vom 22. Juli .2003 eine gleichermaßen „monströse“ Klavierdemonstration das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriß, auch wenn’s nur acht Flügel (vom Typ „Steinway D-724 grand“) waren – aber 80 Simultan-Finger erreichen auch schon spektakuläre Hör-Regionen! Vor allem, wenn sie keinen Musikstudenten gehören wie in Rochester, sondern den Weltbesten ihres Fachs – die Reihe der Pianistennamen liest sich wie eine exquisite Perlenschnur: Leif Ove Andsnes, Nicolas Angelich, Martha Argerich, Emanuel Ax, Claude Frank, Evgeny Kissin, Lang Lang, James Levine (ja, der Chef der Metropolitan Opera), Mikhail Pletnev und Staffan Scheja.
Was erklingt nun alles? Zu Beginn spielen Martha Argerich und Evgeny Kissin Mozarts vierhändige C-Dur- Sonate KV 521, wie ich sie atemberaubender noch nie gehört und noch weniger gesehen habe: zwei Partner werden zur klavierspielenden Einheit mit vier Händen, mit gleichem Atemrhythmus, gleicher Körpersprache, gemeinsam konzentriert und dann wieder anerkennend lächelnd, von einer der vier Hände zur anderen Motive und Läufe übernehmend und zurückgebend – hinter den beiden erscheinen fast leibhaftig Wolfgang und Nannerl und man ist tief ergriffen...
Dann – wunderbares Wiedersehen! - auf nur (!) acht Klavieren Rossinis „Semiramis“-Ouvertüre, danach Wagners „Walkürenritt“ und Benjamins bekannter „Jamaican Rumba“, natürlich auch die wohlbekannten und unverwüstlichen „Stars And Stripes Forever“, Gottschalks originelle „Konzert-Paraphrase über Nationalhymnen“, zum Schluß Rimsky-Korsakoffs virtuoser „Hummelflug“ – das alles mit 160 Fingern auf acht Flügeln – und als krönenden Abschluß singt Barbara Hendricks „Happy Birthday“.
The Verbier Festival & Academy. 10th Anniversary „Piano Extravaganza“
100 min
RCA RED SEAL DVD-Video 82876 60942