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Quirlige Katarakte

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King Übü Örchestrü: Binaurality; W. Fuchs: sopranino, b-cl, contra b-cl u.a.;FMP 49, über Helikon Wolfgang Fuchs / Georg Katzer: Fink Farker; W. Fuchs: sopranino, b-cl, contra b-cl, comp.; G. Katzer: computer, live-electronics, comp. FMP 26, über Helikon Live-electronics sind ein Vabanque- Spiel: meistens scheitern sie an der langweiligen Dominanz eines zähen, amorphen Klangbreis. Oder aber der Computer wird als Musikinstrument, die Technik ohne Fetisch zum Transmitter kompositorischer Ideen verwendet. Ein solches Konzept hat Georg Katzer, schon zu DDR-Zeiten für sensitive Avantgarde-Werke bekannt, entwickelt. Zusammen mit Wolfgang Fuchs, Klarinettist der Berliner free- music-Szene und Begründer des improvisierenden King Übü Öchestrüs, hat er eine Begegnung von fixierten Computersequenzen mit Klarinetten- und Saxextempores inszeniert. Und zwar so, daß die Stücke trotz festgelegter Strukturen einen offenen Dialog der scheinbar gegensätzlichen Musizierformen ermöglichen. Katzers Inventionen sind auf Abwechslung und Kontrast angelegt: quirlige Katarakte gehen über in sanft fließende Bäche, dichte Nebelschwaden in laute Gewitter, melodiöse Fragmente ballen sich zu Clusterbewegungen. Und Fuchs reagiert mit unterschiedlichsten Blas- und Überblastechniken, Klangpartikeln und sheets of sounds. Wie das Duo über eine Stunde eine kontinuierliche Aufmerksamkeit des Auditoriums bewirken konnte, ist auf dem Live-Mitschnitt der CD „Fink Farker“ zu hören: Die Musik hat Witz, brummige Floskeln, plazierte Wendungen mit Überraschungseffekten, kurz: sie bietet beste Unterhaltung der anderen Art. Notiertes und Spontanes verbinden sich zu einer gelungenen Einheit. Während Katzer im Duo klar die Regie führte, sind seine Programme im Kontext des Übü Örchestrüs eher marginal, obwohl unüberhörbar. Das Improvisationskollektiv hat die live-electronis in seinen Darbietungen assimiliert, eingebunden in differenzierte Klangereignisse: Einzelne Instrumentalgruppen finden sich, tasten sich leise in Floskeln voran, die Musik verebbt. Dann bricht es heraus, im Tutti wird der Aufstand geprobt, doch auch nur, bis einzelne Solisten einen anderen Weg suchen. Dies geschieht selbstverständlich, wie abgesprochen, diszipliniert; das Zuhören ist genuin für das Solistenensemble. – Es zeigt sich, daß derart komplex gestaltete Improvisationen eher mit manchen Experimenten der Neuen Musik als mit Jazzidiomen vergleichbar sind.

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