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„Emotion and Analysis“
„Emotion and Analysis“
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Radikalität, Analyse und Gefühl

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Neue DVDs mit Abbado, Boulez, Mann, Ustwolskaja und den Kurtágs
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„Wenn ich Interpreten sagen höre: Ich entdecke immer etwas Neues in einem Stück, das ich hundert Mal gespielt habe, dann – leider – glaube ich das überhaupt nicht.“ Nüchtern und klar bezieht Pierre Boulez, der am 26. März seinen 90. Geburtstag feiert, in der Probendokumentation zu Bartóks „Konzert für Orchester“ Stellung zu drohender Interpretenroutine.

„Emotion and Analysis“ heißt der Film von Paul Smaczny und Günter Atteln, der auch der von EuroArts veröffentlichten Geburtstagsbox den Namen gibt. Sie besteht, bis auf diese Dokumentation mit Probenausschnitten und einem Interview anlässlich des Lissaboner Europakonzerts 2003, aus Wiederveröffentlichungen, die (zu einem attraktiven Preis) 10 DVDs mit Boulez als Komponist und Dirigent zusammenfasst. Das Glanzstück ist sicher der erstmals in der Serie „Juxtapositions“ erschienene Film von Frank Scheffer zu „Eclat“ und „Sur Incises“ (siehe nmz 7/2007) – Letzteres ein Musterbeispiel zunächst konzertanter, dann medialer Musikvermittlung.

Neben Klassikern der Moderne (Debussy, Strawinsky, Bartók, Berg) ist Boulez auch als unbestechlicher, aber keineswegs nur kühl distanzierter Exeget Bruckners (8. Sinfonie) und Mahlers („Auferstehungs“-Sinfonie) zu erleben, außerdem als Motor der Lucerne Festival Academy, in der er seine Kompetenz an die junge Generation weitergibt. Und das Credo, das er im Gespräch über Bartóks „Konzert für Orchester“ formuliert: „Es ist eine Mischung aus Gefühl und Analyse. Gefühl genügt nicht, nach meiner Meinung. Man muss zum Beispiel wissen, wie ein Satz oder wie eine Phrase organisiert ist. Komischerweise ist es so: Je mehr man über das Stück weiß, desto spontaner wird man. Man denkt nicht mehr darüber nach, was man tun muss, man tut es.“ (EuroArts 2061008)

„Abbado ist Gott“: Bei aller Bewunderung junger Musiker für Boulez – ein Satz wie dieser würde im Zusammenhang mit seinem Namen wohl kaum fallen. Doch eine junge Geigerin des Orchestra Mozart spricht ihn tatsächlich in dem Film über das Ensemble aus, das Claudio Abbado seit seiner Gründung 2004 bis zu seinem Tod im vergangenen Jahr leitete. Leider wissen Helmut Failoni und Francesco Merini nicht so recht, was sie in „The Orchestra – Claudio Abbado and the Musicians of the Orchestra Mozart“ erzählen wollen (EuroArts 2060738).

Gehaltvoller ist da der Mitschnitt des Gedenkkonzerts, das das Lucerne Fes­tival Orchestra unter Andris Nelsons im April 2014 spielte. Schuberts „Unvollendete“, Bergs Violinkonzert (mit der wunderbaren Isabelle Faust) und das Adagio aus Mahlers dritter Symphonie erklingen in ergreifender Intensität. Dass die Kommentare beteiligter Musiker bis in den Beginn des Berg-Konzertes, des Mahler-Satzes und des unter Tränen entgegengenommenen Schlussapplauses hineingeblendet wurden, zeugt allerdings von einem bedauerlichen Mangel an Feingefühl. (Accentus Music ACC 20319)

Ein paar Tränen flossen auch nach dem letzten Konzert, das Robert Mann 1997 mit dem Juilliard String Quartet spielte. 52 Jahre lang war er dessen Primarius gewesen und hat das Musikleben nicht nur der Vereinigten Staaten nachhaltig geprägt. Allan Miller porträtiert den Geiger als leidenschaftlichen Kammermusiker und ebenso eloquenten wie humorvollen Pädagogen, der seine Erfahrungen an junge Formationen weitergibt. Der Bonusfilm begleitet ihn bei seinen letzten drei Tagen mit den Juilliards. (Accentus Music ACC 20323)

Galina Ustwolskajas sechs Klaviersonaten stehen in der Gattungsgeschichte einmalig da. Die darin in verschiedenen Ausprägungen präsente Suche nach Ausdruck und Trans­zendenz strahlt in ihrer Radikalität eine Körperlichkeit aus, die sich anbietet, auch filmisch dokumentiert zu werden. Leider überzeugen in diesem klanglich nicht optimalen Konzertmitschnitt aus Moskau nicht alle Klavierschüler/-innen Alexei Ljubimovs gleichermaßen und die Bildregie vermag die ungewöhnliche Architektur des achteckigen Saales in der Schule für dramatische Künste nicht wirklich spürbar zu machen. Packend aber die Kompromisslosigkeit, mit der Ljubimov selbst am Ende die sechste Sonate als einen einsamen Monolithen in den Raum stellt. (Wergo MV0810 5)

Nicht weniger radikal ist die Musiksprache György Kurtágs, die in seinem seit 1973 in permanenter Erweiterung befindlichen Zyklus „Játékok“ (Spiele) für Klavier zwei- und vierhändig eine extreme Verknappung und Verdichtung erfährt. Seit langer Zeit gehören Auftritte von Márta und György Kurtág mit Auszügen aus dieser Sammlung zu den Höhepunkten des Konzertkalenders – so auch das Programm, das die beiden 2012 in Erinnerung an die jung verstorbene Musikologin Haydée Charbagi in Paris spielten. Als his­torische Inseln schieben sich wunderbare Bach-Transkriptionen zwischen die mal schroffen, mal in sich gekehrten, mal aber auch augenzwinkernden Miniaturen. Ein faszinierender musikalischer Dialog über die Jahrhunderte hinweg. (ECM New Series 5508 076 2896)
 

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