Wären sie noch am Leben, hätten sie am 28. September ihr 75-jähriges Bühnenjubiläum feiern können: Die Rede ist von der ersten deutschen „Boy Group“, den Comedian Harmonists. Bis heute kann fast noch jedes Kind ihre größten Hits wie „Mein kleiner, grüner Kaktus“ oder „Veronika, der Lenz ist da“ nachpfeifen. Joseph Vilsmaiers Film von 1997 samt seinem Star-Aufgebot (Ulrich Noethen, Ben und Meret Becker, um nur einige zu nennen) wurde – ob einiger dramaturgischer Schwä-chen – ein großer Erfolg an den Kinokassen, zwei Millionen Deutsche ström-ten damals in die Kinos. Daran knüpft nun diese Jubiläumsedition an: „Das Allerbeste in Bild und Ton“ wird einem versprochen und man wird nicht enttäuscht.
Alles begann mit einer zündenden Idee des Schauspielschülers Harry Frommermann, der 1927 in einer eiskalten Dachkammer hauste und Platten von den Revelers hörte, einem US-amerikanischen Vokalquartett. An diesen Erfolg müsste man doch auch in Deutschland anknüpfen können, dachte sich der findige Musikus mit der Gabe, Instrumente zu imitieren, und setzte eine Anzeige in die Zeitung „Sänger gesucht“, die Bewerber drängelten sich nur so die Stufen zur Dachkammer hinauf, wo das Vorsingen stattfand. Der Rest ist Legende und Geschichte.
Nach einer beinharten Probenphase und einem ersten missglückten Bewerbungs-Vorsingen wurden die sechs feschen Herren mit ihren exakten A-cappella-Interpretationen von witzigen Schlagern, Gassenhauern und Volksliedern Kult im Vor-Hitler-Deutschland. Doch neben Bariton und Gründer Harry Frommermann gab es zwei weitere Juden im Ensemble: den zweiten Tenor Erich Abraham-Collin und Bariton Roman Cycowski, die 1935 in die USA emigrierten. Dem Erfolgsteam wurde Auftrittsverbot erteilt. Der Rest der Truppe, die sich anfangs übrigens „The Melody Makers“ nannte, das waren Robert Biberti, der bulgarische Tenor Ari Lechnikoff und Pianist Eerwin Bootz blieb in Deutschland und gründeten das Meistersextett, während Frommermann in den USA zusammen mit Cycowski noch die „Comedy Harmonists“ ins Leben rief. Nach dem Ausstieg von Cycowski zerfielen – zeitgleich mit dem Meistersextett – 1941 die hoffnungsvollen Nachfolgerensembles.
Mit vier Comedians konnte der Filmemacher Eberhard Fechner Mitte der 70er-Jahre noch sprechen, als er seine Dokumentation „Sechs Lebensläufe“ für den NDR drehte. Ein ergreifendes Zeitdokument, das bis heute noch nichts an Aktualität verloren hat. Für den kurz vorher verstorbenen Frommermann sprechen seine Ex-Frau und seine Lebensgefährtin, für den bereits 1968 verschiedenen Collin seine jüngere Schwester. Die unvergesslichen Songs untermalen die Interviews, Fotos und Zeitungsausschnitte werden eingestreut. Wer sich für die Popularkultur der Weimarer Republik oder überhaupt für deutsche Geschichte interessiert, dem wird hier eine wahre Fundgrube an Beobachtungen und erhelleden Anekdoten geboten. Ganz abgesehen von der wunderbaren „Best of-CD“.