SHUTTER ISLAND (Rhino/Warner)
SHUTTER ISLAND (Rhino/Warner)
Eigentlich sollte bereits im Herbst 2009 der neueste Film von Martin Scorsese weltweit anlaufen. Aber der Verleih bekam im letzten Moment kalte Füße. Zu konfus und unkommerziell sei der Thriller mit Leonardo DiCaprio, hieß es in Branchenkreisen. Nach der Premiere auf der diesjährigen Berlinale entwickelte sich „Shutter Island“ dann aber zum Hit. Wieder einmal hatte die „Branche“ ein Produkt unterschätzt.
„Shutter Island“ ist ein Meisterwerk, ein vielschichtiger Paranoia-Film, der 1954 spielt, und doch sehr aktuelle Themen behandelt. Orchestriert hat Scorsese seine Höllenfahrt mit Sounds des 20. Jahrhunderts. Seit „Mean Streets“ gehört Scorsese zu den Meistern der Soundtrackgestaltung. Für „Taxi Driver“ engagierte er Hitchcocks einstigen Hauskomponisten Bernard Herrmann und für sein „Cape Fear“-Remake ließ er Elmer Bernstein Herrmanns Originalscore neu einspielen. Filme wie „Raging Bull“ oder „Casino“ waren reine Jukeboxfilme: Permanent kommentierten darin Pop-Hits die Handlung. Sein wohl radikalster Soundtrack ist nun „Shutter Island“. Zusammen mit Robbie Robertson, dem einstigen Kopf von „The Band“, „komponierte“, das heißt kompilierte er nun seinen ganz eigenen Score, wie einst Stanley Kubrick bei „2001“ oder „The Shining“.
Mit fast ausschließlich „Neuer Musik“ untermalt er seinen Insel-Film. Schon die ersten Töne, Ingram Marshalls „Fog Tropes“, künden Unheil an. Aber man weiß noch nicht, aus welcher Richtung das Unheil naht, von außen oder von innen. Die für den Kinozuschauer ungewohnten „Sounds“ von John Adams, John Cage, Nam June Paik oder Alfred Schnittke bieten jedenfalls keine Orientierung an. So effektiv und passgenau wurde „Neue Musik“ selten zuvor im Kino „instrumentalisiert“.
Mit einem grandiosen Mash-up aus Max Richters „On The Nature Of Daylight“ und Dinah Washingtons klagendem „This Bitter Earth“ entlässt uns Scorsese in die kalte Nacht des 21. Jahrhunderts.