Der Soundtrack zu diesem bewegenden Doppelporträt ist ein Familienalbum, das auch viel über die musikalische Sozialisation in der Nachkriegsrepublik erzählt. Beginnen wir mit dem Vater: dem Pianisten Eugen Cicero. Anfang der 1960er-Jahre war eine neue amerikanische Jazzwelle über den großen Teich geschwappt. „Jazz goes Classic“ hieß das Motto. Es begann in Frankreich mit Jacques Loussier und den Swingle Singers und setzte sich in Deutschland mit Eugen Cicero fort.
Wie schon in den 40er-Jahren begann die Klassik zu swingen. Die Jazz- und Klassikpuristen rümpften natürlich die Nase, aber das Publikum war begeistert. Eugen Cicero war „switched on Bach“ oder entdeckte den Bossa Nova in Chopin. Virtuos improvisierte er über klassische Themen wie über Jazzstandards. 1970 wurde sein Sohn Roger geboren, der eine Liebe entwickelte zu den großen Songs der 70er-Jahre, zu Billy Joels Evergreen „Just The Way You Are“ etwa. Oder zum Soul jener Phase, von musikalischen Genies wie Stevie Wonder („Have A Talk With God“) oder Prince („Kiss“) und dem großen „Preacher“ Al Green. Irgendwann hat er dann auch (wie so viele erst sehr spät) das Werk von Nick Drake für sich entdeckt, über dessen „From The Morning“ (mit dem das legendäre Album „Pink Moon“ 1972 ausklang) er gekonnt improvisiert. Nachdem das Soundtrackalbum Aufnahmen von Vater und Sohn mixt, vermischen sich in manchen Momenten das Spiel von Eugen und Roger. Wer will, kann im Pianospiel von Roger bei dem Nick-Drake-Song auch Eugen Cicero durchhören. Hier ist der Vater, der so oft abwesend war, zumindest in der Musik anwesend.
- Eine Kritik zum Film, der jetzt noch in ausgewählten deutschen Kinos läuft und bald auf DVD erscheint, finden Sie unter https://www.nmz.de/artikel/wenn-du-saenger-wirst-musst-du-ein-star-sein.