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„Iphigenie auf Tauris“ in der Semperoper – Film-Still von mindjazz pictures
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Tanz-Kunst gegen Covid

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„Dancing Pina“ zeigt beim Münchner Dok-Filmfest die Weltgeltung der Choreographin
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„Tanzt! Tanzt! Sonst sind wir verloren!“ heißt es schon in Wim Wenders’ eindringlicher Film-Hommage an Pina Bausch. Die Anfragen nach Aufführungsrechten kommen aus Tanzkompanien rund um den Globus.

Dieser auch zehn Jahre nach ihrem Tod ungebrochene Weltruhm war für die Wuppertaler „Pina Bausch Foundation“ ein Anstoß, zusammen mit vielen Partnern in Kultur- und Filmförderung ein neues Projekt zu ermöglichen: kein üblicher Mitschnitt einer Neuproduktion, sondern das filmische Festhalten der „Weitergabe“ von Pinas ganz eigenem tanztheatralischem Ansatz, also unter Anleitung von einstigen Solist*innen das Sich-Öffnen, Einfühlen, Annehmen und dann Selbst-Äußern der jetzt Pina-nahen, aufgeladenen Bewegung – eben mit eigenem Empfinden und eigener Emotion und dem anders und neu erlebten eigenen Körper. Ergebnis: Florian Heinzen-Ziobs Film-Montage der „Iphigenie auf Tauris“-Produktion an der Dresdner Semperoper von 2021 mit dem „Sacre-du-Printemps“-Projekt der École-de-Sables nahe Dakar im Senegal, dort nach langem „Auditioning“ von über 130 Bewerber*innen hin zu den 37 ausgewählten Tänzer*innen  2020–21; viel Bewegung trotz nur einer feststehenden Kamera und ruhigen Statements der jungen Tanzenden, fast zwei Stunden fesselnd.

Im direkten Einstieg in die Dresdner Proben wie dem schnellen Wechsel in die nur Stoff-Sonnendach-geschützte „Salle Henriette“ in der senegalesischen Dünenlandschaft wären Namensbauchbinden hilfreich: Ballettomanen erkennen Malou Airaudo, Jo Ann Endicot oder Dominique Mercy, die als ehemalige Solist*innen nun die oft kleinteilige, aber möglichst intensive „Weitergabe“ betreuen. In Dresden konzentriert sich Regisseur Heinzen etwas auf die hochgewachsene Koreanerin Sangeun Lee. Nachvollziehbar wird ihr stilles, kämpferisches Bemühen, sich zu öffnen und ihre eigene Emotion in die Bewegung zu legen – und am Ende sind sie dann da: die weit schwingenden Bögen ihrer langen Arme, das Wehen ihrer schulterlangen dunklen Haare – und diese jetzt expressive Mischung aus Lamento und Sehnsucht um die Tantaliden-Tochter stellt sich zu Glucks Musik ein: entrücktes Kindopfer, verpflanzte Waise, keusche Priesterin, hoffnungsvolle Schwester. Um den Orest von Francesco Pio Ricci und den Pylades von Julian Amir Lacey und ihr mal kraftvoll, mal weich fließendes Umkreisen des tödlichen Abgrunds in der Bühnenmitte werden Zweifel, Abenteuer und Bewährung deutlich. Alle drei empfinden aus ihrer sonstigen „Stummheit“ heraus den Gesang der Solisten als Bereicherung.

Die filmisch schnellen Wechsel und damit der Kontrast zur „Sacre“-Adaption im Senegal sind höchst reizvoll: Da wird ja nicht „kolonialistisch“ an irgendwelche Stammes-Rituale angeknüpft; die 37 Tänzerinnen und Tänzer aus 13 afrikanischen Regionen und Staaten müssen geduldig, aber dennoch unnachgiebig zielorientiert an Pinas Stil und Sicht herangeführt werden: Bewegungen wie Buchstaben erfassen und daraus eine neue, andere Körper-Sprache lernen; ihr divergierendes Bemühen und Ringen durch die Herkunft aus ganz unterschiedlichen Tanzwelten – und nach wochenlangen schweißtreibenden Proben dennoch ein „Das war nicht das Stück“ am Ende des ersten Durchlaufs … und als Endicot trotz aller Erschöpfung sofort anschließend einen zweiten Durchlauf anordnet, stellt sich „Gelingen“ ein.

Der Schlussteil des Films dann als große, bedeutende Dokumentation: der im März 2020 vom senegalesischen Präsidenten verordnete Covid-Shutdown verhindert die wenige Tage später angesetzte Premiere in Dakar; dann die Schließung der meisten europäischen Länder, also auch Ausfall der schon längst fixierten Gastspiele in London oder Paris … anrührend stille Leere in den Gesichtern. Doch es folgt ein überwältigendes Film-Finale: ein tänzerisches „Dennoch“ – Ausschnitte einer singulären „Sacre“-Aufführung des „École-des Sables“-Ensembles nahe Dakar, die jedem kunst- und theateraffinen Menschen unvergesslich bleiben wird – mehr sei nicht verraten! Über den Erfolg beim Münchner Dok-Filmfest hinaus: Trotz damaliger und auch derzeitiger Reiseprobleme des Ensembles hat jetzt die Aufführungsserie via Madrid und London begonnen …

  • Ab 15. September dann in deutschen Kinos.

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