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Saison in Kairo. Plakat.
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Und plötzlich war der ewige Walzertraum aus

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Die „Entjudung“ der Ufa vor 85 Jahren
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In diesen Tagen ist „das Völkische“ wieder in den öffentlichen Diskurs zurück­gekehrt. Ein Teil des Bürgertums hat eine Partei in den Bundestag gewählt, die damit vielleicht nicht nur kokettiert. 2018 spricht man plötzlich nicht nur von der „deutschen Leitkultur“ (was immer das ist), sondern auch vom „Bio-Deutschen“. Ende des vergangenen Jahres jährte sich der 100. Geburtstag der deutschen „Traumfabrik“ Ufa. Ein zentraler – durchaus wieder aktueller – Punkt der Ufa-Geschichte ging dabei in der Berichterstattung fast unter: die „Entjudung“ des Filmkonzerns im März 1933.

Bereits 1932 hatte sich Erich Pommer, der wichtigste Produzent der Ufa („Der blaue Engel“), bei der Leitung des Hauses über die Behandlung der jüdischen Mitarbeiter beschwert. Kurze Zeit später verließ er die Ufa. Nach der „Machtergreifung“ der Nazis am 30. Januar 1933 ging alles sehr schnell. Bereits am 13. März wurde Dr. Joseph Goebbels zum Chef des neuen „Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda“. Zwei Wochen später hielt er seine berühmt-berüchtigte „Kaiserhof“-Rede, die das „Schicksal“ der ganzen deutschen Filmindustrie besiegeln sollte. Goebbels beginnt damit, dass er sich als „leidenschaftlicher Liebhaber der filmischen Kunst“, als Fan von Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ und Langs „Nibelungen“, vorstellt: „Seit vielen Jahren habe ich erkannt, zu welchen Höhen der deutsche Film durch die Kraft und das Ingenium des deutschen Geistes geführt werden kann.“ Und dann kommt es: „Jetzt sind wir da. Und selbst der ungläubige Thomas wird davon überzeugt sein, dass wir mindestens vier Jahre an der Macht sind. Das, was ist, bleibt, wir gehen nicht mehr. Nirgendwo kann ein Zweifel bestehen, dass die nationalsozialistische Bewegung in die Wirtschaft und die allgemeinen kulturellen Fragen, also auch den Film, eingreift. Die innere Größe der Gesinnung muss mit den äußeren Mitteln übereinstimmen. Dann kann der deutsche Film eine Weltmacht werden, deren Grenze heute noch ganz unvorstellbar ist.“ Nun, wie wir wissen, wurde der „deutsche Film“ danach keine „Weltmacht“. Die wichtigsten Filme der deutschen Filmgeschichte sind alle vor 1933, in der verhassten Weimarer Republik produziert worden, fast alle von dem Produzenten Erich Pommer, der freilich ein ganz anderes Weltbild hatte als die „Neuen Herren“.

Einen Tag später beriet der Ufa-Vorstand über die Konsequenzen, die man daraus zu ziehen habe. Für die Ufa ist klar: „Mit Rücksicht auf die infolge der nationalen Umwälzung in Deutschland in den Vordergrund getretene Frage über die Weiterbeschäftigung von jüdischen Mitarbeitern und Angestellten in der Ufa beschließt der Vorstand grundsätzlich, dass nach Möglichkeit die Verträge mit jüdischen Mitarbeitern und Angestellten gelöst werden sollen.“ Während der verhasste Erik Charell, der Regisseur der sehr erfolgreichen Tonfilmoperette „Der Kongress tanzt“, als erster auf der Abschussliste stand, verfuhr man mit Werner Richard Heymann, der bis 1933 die wichtigsten Ufa-Tonfilmschlager geliefert hatte, erst einmal „großzügiger“, aber noch während der Dreharbeiten an „Saison in Kairo“ erhielt Heymann aus „wichtigem Grund“ die fristlose Kündigung.

Bereits im April 1933 folgte er seinen Kollegen Friedrich Hollaender, der sofort nach der Premiere seines Debütfilms als Regisseur, „Ich und die Kaiserin“, im Februar Deutschland verlassen hatte, und Franz Wachsmann ins französische Exil. Kurze Zeit später landeten alle drei in Hollywood: Friedrich Hollaender wurde anfangs zum Hauskomponisten der „Dschungelprinzessin“ Dorothy Lamour und komponierte dort einen der schönsten Jazzstandards, „You Leave Me Breathless“, Franz „Waxman“ entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Filmkomponisten des „Golden Age“ und Werner Richard Heymann orchestrierte Filmklassiker von Ernst Lubitsch wie „Ninotschka“, „Rendezvous nach Ladenschluss“ oder „Sein oder Nichtsein“. Andere einstige Ufa-„Mitarbeiter“ wie Kurt Gerron ließen die Nazis ohne „Rücksicht“ auf ihre „Verdienste“ später dann im „Namen des deutschen Volkes“ ermorden. Während Wilhelm Thiele, dem Vater der Tonfilmoperette im Hollywood-Exil der Erfolg versagt blieb, gelang anderen ehemaligen Ufa-Mitarbeitern in der neuen Traumfabrik nach schweren Anfangsjahren in den 40er-Jahren der große Durchbruch: Billy Wilder und Robert Siodmak, der entscheidend zur Entwicklung des Film Noir beitrug. Die Ufa selbst brauchte übrigens einige Jahre bis sie sich von dieser „Selbstenthauptung“ wieder erholt hat. Aber im Laufe der Zeit tauchten neue „arische“ Talente auf wie der berüchtigte „Jud Süß“-„Spielleiter“ Veit Harlan oder auch Detlef Sierck, der allerdings nach zwei Zarah-Leander-Vehikeln Deutschland verließ und nach Hollywood ging. Dort avancierte er als Douglas Sirk bei Universal zum Melo-Meister aller Klassen.

So hat Hollywood von der „weitsichtigen“ völkischen deutschen Filmpolitik profitiert.

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