Seit Quentin Tarantino in seinen Filmen ständig Musik aus längst vergessenen italienischen Genrefilmen einsetzt, ist der Italo-Sound wieder en vogue. Als Sensation wurde vor einigen Wochen das neue Album von Danger Mouse gehandelt, das der Produzent zusammen mit dem italienischen Filmkomponisten Daniele Luppi in den legendären Forum-Studios aufgenommen hat: „Rome“ (EMI) – mit Jack White und Norah Jones als Gastsängern. Und der Stimme der einstigen Morricone-Muse Edda Dell‘Orso. Ein wunderbares cinematisches Album, das im vergangenen Jahr bereits einen Vorläufer hatte: „Mondo Cane“ (Ipecac Records), eine Crooner-Platte von Mike Patton – mit Arrangements von Daniele Luppi.
Bereits in den 80er-Jahren gab es Soundtracksammler, die sich für den so einzigartigen Italosound interessierten, aber sie blieben unter sich, und die Popwelt interessierte sich nicht weiter für diese Art von „Easy Listening“. Zwar horchte man zum ersten Mal auf, als John Zorn eine großartige Morricone-Hommage vorlegte, aber „The Big Gundown“ blieb vorerst ohne Folgen. In den 90er-Jahren begannen dann immer mehr HipHop-Künstler, Sounds aus alten Italo-Soundtracks als Samples zu verwenden. Aber die Originale waren immer noch erwünscht. In einer Zeit, als jeder Provinzverleger seinen eigenen Radiosender haben musste, um die Leute mit den Paldauern zu unterhalten, wurden zum Beispiel Morricone-Soundtracks, die ein Gast-DJ auflegen wollte, vom sogenannten Programmchef noch abgelehnt, weil das seinen Hörern nicht zuzumuten sei. Wenige Wochen später dudelte der Chef dann selbst den ganzen Tag jene Morricone-Nummer, als prägender Part eines HipHop-Hits.
Wie gesagt, mit Tarantino, den inzwischen immer mehr für den Erfinder des Kinos schlechthin halten, hat sich das alles geändert. So verwendete er zum Beispiel in „Inglourious Basterds“ (sic!) geschickt ein Morricone-Stück aus dem Filmklassiker „Die Schlacht um Algier“, und viele glaubten, es sei für den Film komponiert worden. Dabei war der Soundtrack einer der ersten künstlerischen Höhepunkte von Ennio Morricone aus der Zeit um 1966 gewesen, als er mit „Zwei glorreiche Halunken“ weltberühmt wurde. Gerade ist auf DVD bei Pierrot Le Fou „Schlacht um Algier“ auf DVD erschienen, Gillo Pontecorvos Meisterwerk über den Kampf gegen die französische Kolonialherrschaft, der 1962 zur Unabhängigkeit Algeriens führte. Wie so oft orchestrieren Morricones unglaublich treibende Bläsersätze die Handlung. Kinomusik, die entstanden ist in den legendären Forum-Studios in Rom.
Und genau dort, in den Forum-Studios, hat Danger Mouse mit einstigen Mitgliedern von Morricones Klangkörper, Antonello Vannucchi oder Alessandro Alessandroni, nun auch sein „Rome“-Album aufgenommen. Ein Soundtrack zu einem Film, der nur in seiner Fantasie existiert. Als Komplizen hat sich Brian Burton alias Danger Mouse den Filmkomponisten Daniele Luppi gewählt, der schon seinen Ohrwurm „Crazy“ – den er als Gnarls Barkley einspielte – arrangiert hatte. Die Platte beginnt im typischen Morricone-Sound mit einer Vokalise von Edda Dell’Orso. Doch der Anfang täuscht. Bald tauchen zwei Vokalisten auf, die den Italo-Fluss stören: Jack White und Norah Jones. Und sie werden Fremdkörper bleiben in diesem italienischen Traum. Aber sie dürfen die Ohrwürmer singen, die ihnen Danger Mouse geschenkt hat: „Two Against One“ und „The Rose With A Broken Neck“. Und so ist „Rome“ doch kein Retrosound-Album geworden, sondern Pop von 2011. In einen italienischen Crooner verwandelt hatte sich dagegen im letzten Jahr ein ehemaliges Mitglied von Faith No More: Mike Patton. Und auch „Mondo Cane“ wurde finessenreich arrangiert von Daniele Luppi. Die beiden haben sich für ihr gemeinsames Projekt cinematische Lieder von den üblichen Verdächtigen, Morricone – der vor seiner großen Kinozeit als Schlagerarrangeur bei RCA gearbeitet hat –, Fidenco oder den bei uns kaum bekannten Cantautori Gino Paoli ausgewählt, die zu den Klassikern des Italo-Liedguts der Sixties gehören: „Il cielo in una stanza“, „Deep Down“ oder „Senza fine“. Und auch einen Bert-Kaempfert-Song hat er wieder ausgegraben und unwiderstehlich interpretiert: „Ore D’Amore“. Kurz: „Mondo Cane“ ist eine „Labour of love“, die diese neue Italowelle überleben wird.