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Vermittelt, versinnlicht

Untertitel
Musik des 20. und 21. Jahrhunderts auf DVD
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Musica Viva – Forum der Gegenwartsmusik, Teil I: Dieter Schnebel, Ekstasis, Wergo Muvi 200501, Teil 2: Jörg Widmann, Experimentelle Kammermusik, Wergo NZ 52

Zögerlich, aber doch spürbar beginnt die DVD sich als Medium eigenen Rechts zu etablieren. Neben der Flut mehr oder weniger einfallsreich abgefilmter Opern- und Konzertaufführungen kommen verstärkt Scheiben auf den Markt, die aus den technischen Möglichkeiten mehr machen als eine qualitativ aufgebesserte Videokassette. Besonders erfreulich, dass es vor allem auch neuere und neueste Musik ist, die auf diese Weise präsentiert und – so das Zauberwort – „vermittelt“ wird. Besonders weit wagt sich in dieser Hinsicht die neue Musica-Viva-Edition bei Wergo vor, sowohl was die Ausstattung, als auch die Aktualität der Werke angeht. Dieter Schnebels 2002 uraufgeführtes „Ekstasis“ steht am Anfang dieser Reihe, ein doppelbödig ausuferndes Werk für Chor und Orchester, das seinem Namen alle Ehre macht. Neben dem reinen Konzertfilm ist eine vom Komponisten mit ausführlichen Erläuterungen unterbrochene Version verfügbar, ein ursprünglich auf BR-Alpha gesendetes viertelstündiges Werkporträt sowie diverses biografisches Material (im Browserfenster einzusehen) komplettieren das üppige Paket.

Besonders profitieren auch Jörg Widmanns Werke von der optischen Aufbereitung: Die „Hallstudie“, ein ebenso verspielter wie konzentrierter Gang um den Flügel herum (und in ihn hinein) mit der fabelhaften Irene Russo, „Skelett“, Stefan Blums klangintensiver Abbau seines Schlagwerks, und „Signale“, das die sechsköpfigen Neuen Vocalsolisten Stuttgart in quasi-elektronische Klangbereiche führt. Längere Interviewausschnitte weisen Widmann als beredten Anwalt seiner Vorstellung vom Komponieren aus. Auf die Fortsetzung der Reihe mit Hartmann-Sinfonien darf man mit einiger Erwartung blicken.

Die Revolution der Klänge. Musik im 20. Jahrhundert, vorgestellt von Simon Rattle, Teil 1: Tanz auf dem Vulkan, Teil 2: Rhythmus, Teil 3: Klangfarbe, Teil 4: Drei Schicksale, Arthaus 102-032/-034/-036/-038

Auf Fernsehsendungen aus den 90er-Jahren geht die Rattle-Serie zur Musik des 20. Jahrhunderts zurück. Manch kleiner inhaltlicher Ungereimtheiten und einiger wenig plausibler Bebilderungen zum Trotz gelingt es dem Charismatiker immer wieder, einzelne Stränge des musikalischen Wegs in die Moderne plastisch zu machen. Erstaunlich, dass oft ein paar am Klavier angedeutete und von Rattle klug kommentierte Elemente mehr aussagen als die bisweilen etwas bemühten Schnitte zwischen Naturmotiven und Detailaufnahmen aus dem Orchester. Gerade die DVD zum Thema Klangfarben konterkariert hier mit in Zeitlupe durchs Wasser galoppierenden Pferden die Essenz einer auf komplexerer Ebene mit Bildern korrespondierenden Musik. Lange Audio-Bonustracks (etwa die komplette Turangalila-Sinfonie Messiaens auf der DVD „Rhythmus“) runden die einzelnen Boxen großzügig ab.

A propos Rattle: der viel gepriesene Dokumentarfilm „Rhythm is it!“ zum Education-Programm der Berliner Philharmoniker liegt nun in einer luxuriösen 3-DVD-Box vor. Neben Interviews und Materialien zu den Projekten 2004 und 2005 enthält sie die im Film etwas zu kurz gekommene Aufführung der Sacre-Choreografie in voller Länge (Boomtown 01399).

Stephan Winkler: Vom Durst nach Dasein, Gullinkambi, Zigzag, DualDisc mit Jesko Marx’ Film „Zigzag: pi mal r quadrat“ auf der DVD-Spur, Wergo WER 6556 2

„Bitte sorgen Sie für gute Stereobedingungen“: Der augenzwinkernde Hinweis im Vorspann von Jesko Marx’ Film zu Stephan Winklers „Zigzag“ trifft den Kern dieses als imaginäres Match zweier Saxophongruppen beginnenden Stücks. Marx gelingt mit dem geometrischen Figurenspiel seiner Computeranimation einerseits eine faszinierend präzise Umsetzung der Klänge in Bilder, andererseits eine Übersetzung von deren Abstraktion in eine bei aller Zurücknahme fast erzählerische Verspieltheit. Dass man für dieses synästhetische Vergnügen der besonderen Art nur die CD umdrehen und als DVD in ein entsprechendes Gerät legen muss, ist ein weiterer Schritt in der Versinnlichung eines Mediums, das in der Phase von Untergangsprophezeihungen eine neue Kreativität zu entfalten scheint. Des Komponisten konsequente Nachbearbeitung der zunächst instrumental erzeugten Klänge passt da nur allzu gut ins allmählich bunter werdende Bild. (siehe auch S. 43)

Igor Strawinsky: Petruschka; Johannes Brahms: Liebeslieder-Walzer, Klavierduo Stenzl u.a., Arthaus 100 715

Ein wenig altbacken und beliebig wirken demgegenüber die computergenerierten Sequenzen, die in diesem Arthaus-Film zu Strawinskys Petruschka der abwechslungsreichen Kameraarbeit gegenübergestellt werden oder diese auch schon mal überlagern. Gyula Racz’ hörenswerte Bearbeitung für zwei Klaviere und zwei Schlagzeuger hätte eine interessantere optische Umsetzung verdient.

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